Test HIFIMAN EDITION X V2

Letztes Wochenende habe ich den neuen HIFIMAN HE1000 V2 rezensiert. Da ich in meinem Fazit letztendlich zu dem Schluss kam, dass es sich um den wohl besten Kopfhörer handelt, welcher mir bislang auf die Ohren gekommen ist, blieben entsprechende Kommentare selbstverständlich nicht lange aus.

Die Bemerkungen reichten vom Fingerzeig auf das völlig überteuerte Preisschild bis hin zu den sachdienlicheren Hinweisen, im Zweifelsfalle vielleicht doch eher auf den kleineren Bruder, den HIFIMAN EDITION X V2, zurückzugreifen. Immerhin spart man in diesem Fall den nicht unerheblichen Betrag von über 2.000 €. Stimmt natürlich. Und aus diesem Grunde möchte ich dem neuen „HEX“ im Folgenden auch genauer auf den Zahn fühlen.

Allerdings sollte man nicht dem Irrglauben verfallen, dass man für weniger als den halben Preis nur einen materialtechnisch leicht abgespeckten Hörer mit den nahezu gleichen klanglichen Eigenschaften erhält. Denn dem ist nicht so. Zumindest nicht aus audiophiler Sicht. Aber dazu später noch mehr.

Den Testbericht des „HEX V1“ habe ich ja bereits eingestellt. Ich werde mir heute also ausführliche Beschreibungen ersparen und nur auf die entsprechend relevanten Veränderungen eingehen. Alle weiteren Infos könnt ihr ja meiner damaligen Rezension entnehmen.

Verarbeitung

Zunächst einmal muss ich dem neuen HIFIMAN EDITION X attestieren, dass der Hersteller bei seinem neuerlichen V2 Upgrade prinzipiell alles richtig gemacht hat. Insbesondere beim Verkaufspreis, der vom deutschen Vertrieb von ursprünglich 1.999 € tatsächlich auf 1.399 € reduziert wurde. Dies entspricht einer Preissenkung von immerhin 30% (!) und ist zunächst schon einmal ein gewichtiges Kaufargument.

Des Weiteren profitiert der EDITION X V2 von den gleichen bautechnischen Maßnahmen wie auch schon der HE1000 V2. Der Einstellbereich des Kopfbandes wurde erweitert, die Dicke der Treibergehäuse wurde ebenfalls verringert und die Ohrpolster wurden wie beim großen Bruder stärker angestellt. Auch die aufliegenden Polster besitzen jetzt eine mit dem Leder vernähte Oberfläche aus Polyester, welche auf Dauer einen angenehmeren Tragekomfort bieten. Dies kann ich nach vielen Hörstunden bestätigen. An der Größe der Gehäuse hat sich ansonsten nichts spürbar geändert. Meine Ohren berühren jedenfalls nach wie vor an keiner Stelle die innenliegenden Treiber.

Auch die sperrigen Kabel der Urversion wichen einer flexibleren Ausführung mit transparenten Schläuchen. Es sind 2 Kabel für den unsymmetrischen Betrieb beigelegt. Die Kabel sind selbstverständlich weiterhin abnehmbar und erlauben dem Besitzer somit auch zukünftig, mit diversen Strippen aus dem Zubehör zu experimentieren.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass die Ohrbügel jetzt aus eloxiertem Aluminium und nicht mehr aus Kunststoff gefertigt werden. In Verbindung mit den etwas leichteren Treiberbehausungen erhöht sich das Gewicht des KH aber nicht. Es liegt nach wie vor bei ca. 400 Gramm. Die Oberflächenlackierung ist neuerdings in „rauchgrau“ ausgeführt. Sehr edel.

Klangtest

Der Testaufbau zum HIFIMAN EDITION X V2 unterscheidet sich nicht vom HE1000 V2, welchen ich natürlich parallel getestet habe. Da sich mein MOON 230 HD bereits in der Vergangenheit als ein kongenialer Spielpartner für den EDITION X V1 erwiesen hat, darf er den neuen EDITION X V2 auch in diesem Fall antreiben.

Da ich zur Rezension des HE1000 V2 auch meinen SENNHEISER HD800S zu Vergleichszwecken herangezogen hatte, ergab sich dadurch die Möglichkeit, alle 3 Kopfhörer miteinander zu vergleichen. In meinem Testbericht des V1 Modells hatte ich folgende Beobachtungen gemacht:

BASS

„Der Bassbereich reicht sehr tief hinab und verleiht dem EDITION X ein sehr glaubwürdiges Fundament. Der Bass entwickelt zudem eine unglaubliche Autorität, natürlich auch bedingt durch die zur Verfügung stehende Membranfläche. Der gesamte Bassbereich wirkt dazu jederzeit sehr strukturiert, Bassläufe lassen sich einfach nach verfolgen. Der EDITION X agiert aber nicht ganz staubtrocken, sondern favorisiert eher einen leicht federnden Bass mit mehr Druck, besonders im oberen Frequenzbereich. Extrem beeindruckend.“

GRUNDTON

„Der Kopfhörer ist tendenziell eher warm abgestimmt, mit einem fülligen und körperreichen Grundton. Er verleiht Stimmen und Instrumenten jederzeit genügend Substanz und Plastizität und bildet somit einen nahtlosen Übergang zum Bassbereich. Bemerkenswert ist zudem, dass der Grundton zu keiner Zeit das mittlere Tonspektrum überlagert. Dies wurde abstimmungstechnisch also sehr gut gelöst.“

MITTELTON

„Der Mitteltonbereich wirkt sehr natürlich und ausgewogen, minimal zurückgenommen, trotzdem sehr dynamisch und ohne dabei an Durchhörbarkeit einzubüßen. Er zeichnet sich aber insbesondere durch den enormen Klangfarbenreichtum aus Fast wie gemalt. Zeitweilig nicht unbedingt so realistisch wie die Wiedergabe über einen HD800S. Aber einfach nur sehr musikalisch.“

HOCHTON

„Der Hochtonbereich ist vom Hersteller leicht abgesenkt worden, um insbesondere die Langzeittauglichkeit zu erhöhen. Das Auflösungsvermögen ist dennoch sehr fein ziseliert und lässt keine Transparenz vermissen. Tonal liegt der HIFIMAN leicht auf der helleren Seite. Im Gegenzug wirken die Höhen aber immer angenehm, niemals aufdringlich und schmeicheln dadurch auch schlechteren Aufnahmen.“

RÄUMLICHKEIT

„Die räumliche Abbildung ist grundsätzlich auf einem guten Niveau, besonders bei der Staffelung in die Tiefe. Durch die leicht abgesenkten Höhen werden Raumreflexionen aber reduziert, was die Informationen bezüglich der tatsächlichen Raumgröße etwas einschränkt. Die Breitenstaffelung ist somit recht überschaubar, da Hallfahnen zudem relativ schnell abklingen. Mit der richtigen (röhrenbewehrten) Verstärkerauswahl kann diesem Effekt aber bei Bedarf entsprechend entgegengewirkt werden.“

Meines Erachtens spielt der neue HIFIMAN EDITION X V2 im Mittel- und Hochtonbereich vielleicht etwas befreiter auf. Dies hat natürlich auch einen geringen Einfluss auf die räumliche Wiedergabe. Insbesondere die Darstellung in die Breite hat sich dadurch leicht verbessert. Unter Umständen wirkt sich auch die stärkere Anwinklung der Treiber positiv auf die weitläufigere Darstellung aus.

Um es kurz zu machen. Die ursprüngliche Klangsignatur des EDITION X V2 hat sich erwartungsgemäß nicht grundsätzlich verändert. Meiner damaligen Bewertung…

„Im objektiven Vergleich macht ein SENNHEISER HD800S eigentlich fast alles besser. Zumindest wenn ich meine üblichen Bewertungskriterien anlege. Das räumliche Abbildungsvermögen des HD800S ist ausgeprägter und wirkt zudem auch realistischer, denn einzelne musikalische Ereignisse werden in ein „richtigeres“ Größenverhältnis gesetzt. Die Abstimmung von Bass, Mittelton und Hochton wirkt homogener, einzelne Frequenzbereiche spielen sich zu keiner Zeit auffällig in den Vordergrund oder werden vernachlässigt. Nach reinen HiFi-Maßstäben sieht der EDITION X also kein Land gegen den SENNHEISER.“

…ist auch in der aktuellen V2 Version des EDITION X nichts hinzuzufügen. Allerdings punktet der HIFIMAN nach wie vor dagegen mit seiner ansprechenderen Musikalität und zudem mit einem angenehm warmen und langzeittauglichen Charakter.

Aber warum schlägt der HIFIMAN HE1000 V2 den SENNHEISER HD800 in meiner Rezension in nahezu jeder Disziplin und der EDITION X V2 sieht dagegen nach objektiven Kriterien kein Land?

HEX vs HEK

Der neue HIFIMAN EDITION X V2 ist ohne jeden Zweifel ein großer Wurf. Und besonders durch den gesenkten Preis und die bessere Verarbeitung eine inzwischen hervorragende Offerte. Wer sich diesen Kopfhörer zulegt, weil ihm eben genau diese Klangsignatur zusagt und der auch gegebenenfalls eine Eignung für eine weniger audiophile HIGHRES-Musikauswahl benötigt, macht mit Sicherheit absolut nichts falsch. Zumal der Hörer auch sehr gut mit den verschiedensten elektronischen Komponenten skaliert und somit ein breites Betätigungsfeld für seinen Besitzer eröffnet.

Aber das Bessere ist bekanntlich der größte Feind des Guten. Und SENNHEISER ist mit dem HD800 (S) in diesem Preissegment damals wie heute ein wahrer Meilenstein gelungen. Man muss schon sehr viel mehr Geld investieren, um diesen Kopfhörer nach rein klanglichen Kriterien zu besiegen. Dies war auch der eigentliche Beweggrund, im letzten Test meinen HD800S gegen den HE1000 V2 einzusetzen.

Und wie bereits zu Beginn meines Berichtes erwähnt, kommen wir jetzt natürlich zur Kernfrage. Was genau macht denn der HIFIMAN HE1000 V2 besser als der EDITION X V2. Diese Frage lässt sich mit nur zwei Worten beantworten. Einfach alles.

Wo soll ich beginnen? Der Umgang mit dem HE1000 V2 setzt eine gewisse Hörerfahrung voraus, um zu erkennen, dass „weniger“ manchmal „mehr“ sein kann. Beispiel gefällig? Der EDITION X V2 beeindruckt beim ersten Reinhören spontan mit seinem druckvoll dominanten Bassbereich. Der Bass des HE1000 V2 agiert dagegen im ersten Hördurchgang eher unauffällig. Und fügt sich genau dadurch perfekt in das übrige Frequenzspektrum ein. Ohne aber dabei tatsächlich auch nur ein Quäntchen weniger Druck aufzubauen als sein kleinerer Bruder. Es fällt zu Beginn halt nur nicht unbedingt auf.

Ganz im Sinne einer möglichst homogenen Wiedergabe. Der HE1000 V2 hält musikalische Ereignisse kohärent zusammen und gibt sie als vollständig geschlossene Einheit wieder. Aus diesem Grunde spielt es auch keine Rolle, welche Musik –sparte oder –Richtung ausgewählt wird. Der HE1000 V2 reproduziert jegliche Art von Musik völlig unbeeindruckt mit einer selbstverständlichen und unglaublichen Ruhe im Klangbild.

Und dies ist für mich die wahrhafte Meisterleistung. Und macht somit den Unterschied zum EDITION X V2 aus. Dass ich mich beim HE1000 V2 nämlich nicht mehr auf einzelne Merkmale und Eigenschaften konzentrieren muss wie Bassqualität, Grundtonwärme, Mitteltonplastizität und Hochtonbrillanz, sondern dass diese HIFI-relevanten Kriterien vollkommen in den Hintergrund treten und ich einfach nur Musik hören darf. Ich habe jedenfalls in den ersten Hörsitzungen mehrere Stunden lang keinen einzigen Gedanken an eine Bewertung verschwendet.

Aber auch, wenn ich meinen Augenmerk bewusst auf einzelne Frequenzbereiche richte, übertrifft der HE1000 V2 seinen kleinen Bruder in jeder hörbaren Disziplin. Der Bassbereich ist exakter konturiert und homogener austariert. Grund- und Mitteltonbereich besitzen die realistischeren Klangfarben. Der Hochtonbereich wird wesentlich besser aufgelöst und verleiht der Wiedergabe eine signifikant höhere Transparenz. Der HE1000 V2 zieht den oft beschworenen Schleier einfach beiseite. Ortungsschärfe, Raumgröße, Abbildungsverhältnis, der EDITION X V2 hat unter audiophilen Gesichtspunkten nicht den Hauch einer Chance gegen die große V2 Waffe.

Und das ist immer der Punkt, vor dem ich mich als Hüter des bestmöglichen Klanges fürchte. Wenn ich feststelle, dass ein neuer Stern an meinem persönlichen Kopfhörerhimmel aufgegangen ist, welcher meine im Bestand befindliche Nr. 1 zur Sternschnuppe degradiert. Vor allem dann, wenn der neue Stern preislich so weit entfernt ist. Und doch so nah scheint.

Noch einmal. Der EDITION X V2 macht im Vergleich zum HE1000 V2 nichts wirklich bedeutend schlechter. Ohne den direkten Bezug zum Selbigen wird man mit dem HEX V2 sicher sehr glücklich werden. Und für manch einen mögen die erwähnten Unterschiede auch nur unwesentliche Kleinigkeiten darstellen. Aber andere Gralsritter hier werden mich ganz sicher verstehen.Und einige von ihnen würden für genau diese Nuancen ihre Großmutter verkaufen.

Euer Fidelio

Meine Wertung

Klangqualität (60%) : 4 von 5 Ohren
Tragekomfort (20%) : 4 von 5 Ohren
Verarbeitung (20%) : 3 von 5 Ohren

(*) Die Testberichte auf Musicalhead geben ausschließlich meine persönliche Meinung zum Produkt wieder. Es handelt sich hierbei um redaktionelle Beiträge, welche aber durchaus eine werbende Wirkung beim Leser erzielen könnten, ohne dass ich von einem Unternehmen damit beauftragt wurde.


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