AUDEZE LCDi4

Test AUDEZE LCDi4

Ich stehe gerade in einer großen Menge von Menschen unmittelbar in der ersten Reihe bei einem Livekonzert in Denver, Colorado. Der gute alte Keb Mo schmettert sein „The worst is yet to come“ von der Bühne hinab und ich kann es immer noch nicht fassen. Kopfhören ohne Kopfhörer.

Nun, zumindest fast. Denn der brandneue AUDEZE LCDi4, welchen ich euch heute in einem ersten exklusiven Test in Deutschland vorstellen möchte, ist nicht nur nahezu masselos. Nein, aufgrund des relativ lockeren Sitzes in meinen Gehörgängen nehme ich die beiden Knöpfe schon in kürzester Zeit gefühlsmäßig nicht mehr wahr. Einfach nur der helle Wahnsinn. Aber besser alles der Reihe nach. Zunächst einmal gilt mein Dank Carsten Hicking vom deutschen AUDEZE Vertrieb, welcher diese Rezension über die Bereitstellung eines der zurzeit seltenen Exemplare überhaupt erst möglich gemacht hat.

Vor einiger Zeit habe ich ja bereits die neuen iSINE10 und iSINE20 für euch rezensiert. Deshalb war ich verständlicherweise mehr als neugierig auf den neuen Überflieger der Kalifornier, welcher in den amerikanischen Foren bereits als „End Game Headphone“ bezeichnet und zwischenzeitlich seit Ende Juni auf Vorbestellung in den USA auch ausgeliefert wird. Na ja, solchen Aussagen stehe ich in der Regel immer eher kritisch gegenüber. Bis heute.

Bereits auf der HIGH END in München erhielt ich eine erste musikalische Kostprobe des magnetostatischen Zwerges. Leider ließ aber der messeübliche Geräuschpegel eine wirklich aussagekräftige Beurteilung des AUDEZE nicht zu. Allerdings fiel mir schon beim Erstkontakt die über den gesamten Frequenzbereich sehr ausgewogene Tonalität und ein äußerst konturierter Bass mit ordentlich Tiefgang positiv auf. Voraussetzung dafür ist freilich ein penibles Auswahlverfahren der zur Verfügung stehenden Eartipps. Dazu aber später natürlich mehr.

Den AUDEZE iSINE20 habe ich nach meinem Test bekanntlich käuflich selbst erworben. Somit stieg natürlich sukzessive die Spannung bezüglich der direkten Vergleichsmöglichkeit zum AUDEZE LCDi4. Dabei ging es mir gar nicht so sehr um die Frage, ob denn der neue Stern am In-Ear Himmel seinen kleineren Brüdern klanglich überlegen ist. Denn dies setze ich bei dem nicht ganz unerheblichen Aufpreis als eher selbstverständlich voraus. Vielmehr interessierte mich das tatsächliche Steigerungspotential. Und dies ist, soviel kann ich an dieser Stelle schon vorwegnehmen – gewaltig.

Interessanterweise wurde der LCDi4 bereits vor dem iSINE10 und iSINE20 konstruiert. Dies erklärt auch die zahlreichen optischen Gemeinsamkeiten. Bei den Kopfhörern der iSINE Serie handelt es sich also quasi um technisch abgespeckte Ableger des Originals. Aus Marketinggründen wurden die kleineren Versionen aber vorrangig lanciert, auch um so die Reaktionen in der Öffentlichkeit besser bewerten zu können.

Verpackung & Ausstattung

Die Entgegennahme des kleinen, unscheinbaren Päckchens vom DHL Boten sorgt bei mir im ersten Augenblick erst einmal für ein langes Gesicht. Ist da überhaupt irgend etwas drin? Vielleicht handelt es sich ja doch um das XLR-Kabel, das ich ebenfalls noch erwarte. Aber nein, die Absenderadresse identifiziert den Inhalt ganz klar als den neuen LCDi4 von AUDEZE. Nun gut, werfe ich einfach alle Vorbehalte ob des lächerlich geringen Gewichtes über Bord und begebe mich an das Auspacken.

Der LCDi4 wird in einer in schwarzem Kunstleder eingefassten festen Kunststoffverpackung mit transparentem Deckel und magnetischem Verschluss ausgeliefert. Die kleinen Ohrhörer sind in passgenauem Schaumstoff geschützt eingebettet, das mitgelieferte Zubehör findet in einer kleinen Echtledertasche Platz und ist auch mehr als reichhaltig bemessen.

Beigepackt sind 3 x 2 unterschiedlich große Silikonpassstücke für die Gehörgänge in 2 verschiedenen Ausführungen, also insgesamt 6 x 2 Versionen. Dazu gesellen sich jeweils 2 x 2 Ohrbügel aus glänzendem schwarzen und transparenten Kunststoff. Wahlweise können auch in den Ohrmuscheln liegende Earlocks eingesetzt werden, wenn einem die über den Ohren geführte Lösung nicht zusagt. Neu im Gegensatz zu den iSINE Modellen ist ein zusätzliches mattschwarzes Ohrbügelpaar in etwas längerer Ausführung, welches zudem eine leichte Gummierung aufweist und sich für meine Lauscher als genau passend herausstellt. Prima.

Im weiteren Lieferumfang befindet sich ein hochwertiges, versilbertes OCC-Kupferkabel in 1,2 m Länge, versehen mit strukturverstärkenden Kevlar-Fäden und einem vergoldeten 3,5 mm Klinkenstecker. Eine symmetrische Anschlussvariante ist laut Aussage des Herstellers aber bereits schon in Planung.

Aha. Und wieso haben die geizigen Amis nicht zumindest noch eine längere Kabelversion in beispielsweise 3 m Länge und 6,3 mm Klinke beigepackt? Dies wäre bei diesem Preis ja wohl noch drin gewesen, oder? Zumal das kleine Juwel seinen Einsatzzweck höchstwahrscheinlich nicht ausschließlich in der mobilen Nutzung finden wird. Denn insbesondere an heimischen Komponenten entfaltet der LCDi4 erst sein volles Potential. Schade und auch etwas ärgerlich.

Die CIPHER-Kabelvariante wurde ebenso ersatzlos gestrichen. Auf eine diesbezügliche Nachfrage, bereits auf der HIGH END in München, wurde mir seitens des Herstellers versichert, dass dies allein der ungenügenden Anntriebsleistung des winzigen Kabelverstärkers geschuldet sei. Ich käme aber wahrscheinlich eh nie auf die dumme Idee, eine 3.000,- teure Pretiose an meinem iPHONE zu betreiben. Komplettiert wir die Ausstattung durch einen USB-Stick, welcher im Übrigen auch die Bedienungsanleitung beinhaltet. Ein Ansteckclip zur Fixierung des Kabels unterwegs fehlt genauso wenig wie eine kleine Reinigungsbürste für den Kopfhörer.

Verarbeitung & Tragekomfort

Der von BMW-Designworks entworfene und in Kalifornien von Audeze produzierte Bonsai Magnetostat ist makellos und professionell verarbeitet. Trotz der für In-Ear Kopfhörer ausladenden Maße ist der LCDi4 extrem leicht geraten. Lediglich 12 g bringen beide Stöpsel einzeln auf die Waage. Damit ist der große Bruder sogar etwas leichter als seine kleineren Geschwister.

Denn im Gegensatz zum iSINE 10 und iSINE20 bestehen die oberen Teile der Gehäuse beim LCDi4, welche auch die Treiber umgeben, aus schwarz lackiertem Magnesium. Nur die unteren Formstücke, welche final in die Hörtrichter münden, sind in gleichfarbigem Kunststoff ausgeführt. Die aufgesteckten Silikon-Tipps lassen sich sehr leicht wechseln, die oben genannten Ohrbügel und Earlocks rasten zudem jederzeit passgenau auf der Innenseite der KH ein. Durch die horizontalen Grills des In-Ear Kopfhörers werden goldfarbene Kupfergeflechte zum Schutz der Magnete und Folienmembranen sichtbar und weisen somit die typischen Attribute der LCD-Serie von AUDEZE auf. Sehr schön.

Aber trotz aller Bemühungen seitens des Herstellers gelingt es den Amerikanern nicht in letzter Konsequenz, das Gefühl von hoher Wertigkeit zu erzeugen, insbesondere nicht bezogen auf die Haptik. Ein derart leichter und eher unscheinbarer Winzling entspricht vielleicht auch nicht ganz den Vorstellungen der europäischen Kundschaft bezüglich eines derart ambitioniert bepreisten Kopfhörers.

Der europäische Marketingleiter von AUDEZE erklärte mir dementsprechend bereits am HIGH END Messestand im Mai, dass es daher auch nicht unbedingt leicht werden wird, den hiesigen Markt für den neuen Knirps zu begeistern. Kein edles Holzfurnier, keine gebürsteten Aluminiumflächen, keine sichtbaren Insignien der Macht. Und eben auch kein Gewicht. Man hat halt irgendwie nichts in der Hand. Demzufolge werden die zukünftigen Stückzahlen des LCDi4 in Europa höchstwahrscheinlich sehr überschaubar bleiben, allein schon aufgrund der eher problematischen Vermarktungs- und Preissituation.

Die Kalifornier kontern dagegen mit dem Verweis auf das unbeschwerte neue Tragegefühl in Kombination mit dem alles überragenden Klang eines großen OverEar Kopfhörers.

Der Tragekomfort ist tatsächlich ähnlich hervorragend wie bei den bekannten iSINE Modellen. Zum einen können die Silikon Tipps in der jeweilig richtigen Größe einfach und relativ locker in die Gehörgänge eingesetzt werden. Zum anderen besitzen die neuen silikonbeschichteten Ohrbügel nun endlich das immer passende Längenmaß und der kleine Magnetostat wird so ohne störendes Druckgefühl in den Gehörgängen exakt vertikal und somit bassfreundlich vor meinen Ohren positioniert. Sehr gut. So muss dies meiner Meinung nach sein, denn wie einige von euch wissen, bin ich eigentlich kein großer Freund von Stöpsellösungen.

Und ein perfekter Sitz des AUDEZE Kopfhörers in den Hörkanälen ist meines Erachtens eine grundlegende Voraussetzung für das vollständige Ausloten der klanglichen Fähigkeiten des LCDi4. Schon geringfügige Modifikationen bei der Größe der Tipps, welche beispielsweise zu einer unterschiedlichen Einstecktiefe führen, oder eine Bügel-spezifische Änderung bezüglich der Positionierung der Segel machen sich unmittelbar bemerkbar. Es lohnt sich also in jedem Fall, diesbezüglich im Vorfeld ausgiebig mit dem Zubehör zu experimentieren.

Technik

Das Ziel der amerikanischen Kopfhörermanufaktur war schon während der Konstruktionsphase des LCDi4 klar gesetzt. Den besten InEar der Welt zu bauen. Und zwar ohne die üblichen, systembedingten Kompromisse konventioneller InEar Modelle einzugehen. Insbesondere die Einschränkung bezüglich Bühnendarstellung und räumlicher Abbildungstiefe bei den herkömmlichen Ohrstöpseln war den Machern von AUDEZE ein gehöriges Dorn im Auge. Aus diesem Grunde kam auch nur ein konstruktiv revolutionär neues und offenes System in Frage. Ob den Ingenieuren damit ein Durchbruch im Kopfhörerbereich gelungen ist, wird der anschließende Hörtest noch zeigen.

Bei der Entwicklung des LCDi4 wurden nahezu alle bewährten und patentierten Lösungen der größeren OverEar-Modelle in den kleinen Gehäusen auf allerengstem Raum zusammengeschrumpft. Hauchdünne, 30 mm große Uniforce-Diaphragmen übertragen über Fazor Waveguides durch einseitig angeordnete Fluxor Magnete die musikalischen Informationen in trichterförmige Kanäle, welche final in den Gehörgängen münden. In diesen Trichtern sind außerdem Phase-Plug ähnliche Stifte für Phasenkorrekturen implementiert.

Überhaupt ist der kleine Kopfhörer bei genauer Betrachtung ein wahres Wunderwerk der Audiotechnik. Das verwendete Membranmaterial beispielsweise, weist eine Dicke von lediglich 0,0005 mm und somit nur 1 Zehntel (!) der Stärke der Membranen der iSINE-Serie auf. AUDEZE benötigt allein für die Produktion der Folien, welche im Übrigen identisch mit denen des LCD4 sind, immerhin 1-2 Wochen in speziell dafür vorgesehehen Vakuumkammern. Alle LCDi4 Modelle werden außerdem in reiner Handarbeit hergestellt und zudem mit einer maximalen Abweichung von nur +/-1 db paarweise selektiert.

Aber auch anderweitig sind zum Teil signifikante Unterschiede zu den kleineren iSINE10 und iSINE20 erkennbar. Die Neodymium Magnete besitzen eine wesentlich höhere Flussdichte für einen präziseren Antrieb, durch die steiferen Magnesiumbehausungen werden Resonanzen zudem effektiver bedämpft. Die Impedanz des AUDEZE liegt bei 35 Ohm, die maximale Belastbarkeit wird mit erstaunlichen 3 Watt/Kanal angegeben. Die THD (Total Harmonic Distortion) beträgt laut Aussage der Kalifornier weniger als 0,2 Prozent über das gesamte Frequenzspektrum, selbst bei hohen Lautstärken. Der Hersteller verspricht außerdem einen linearen Frequenzgang im Bassbereich von 900 – 5 Hz. In einschlägigen amerikanischen Foren wurde tatsächlich bereits eine Grenzfrequenz von 7 Hz gemessen. Beeindruckend.

Durch die offene Struktur der Konstruktion gelangen Außengeräusche nur leicht gedämpft an das Innenohr. Umgekehrt isoliert der Zwerg aber auch nur bedingt die musikalische Wiedergabe in Gegenrichtung. Dieses Leakage bleibt allerdings überschaubar. Also mit kleinen Einschränkungen durchaus auch tauglich für ausgiebige, nächtliche Hörsessions im heimischen Schlafzimmer. Meine (tolerante) Frau hat jedenfalls zu keiner Zeit ein Wort darüber verloren.

Vorbereitung

Meine Vorfreude steigt. Der nagelneue LCDi4 wird direkt nach dem Auspacken aber zunächst einmal 40 Stunden penibel eingespielt. Wir wollen ja nichts dem Zufall überlassen, gell? Im Anschluss verbringe ich 30 Minuten mit der optimalen Auswahl von Bügeln, Earlocks und Tipps. Schon ein wenig lästig. Aber glücklicherweise nur notwendig zur erstmaligen Anpassung der Zwerge an meine Kopfsituation. Als primärer Spielpartner für den ersten Hörcheck dient mir übrigens mein QUESTYLE QP1R. Und ja, das hört sich schon durchaus vielversprechend an.

Im weiteren Verlauf werde ich den AUDEZE LCDi4 insbesondere auch zusammen mit dem nagelneuen KANN testen, welchen mir Thomas Halbgewachs vom deutschen ASTELL&KERN Vertrieb freundlicherweise noch rechtzeitig für diesen Test zur Verfügung stellen konnte. Ganz herzlichen Dank dafür. Eine eigene Rezension zum neuesten A&K folgt selbstverständlich in Kürze. Versprochen.

Der LCDi4 erhält zudem noch einige Spielzeit an meinem PATHOS INPOL EAR, um die Grenzen des Winzlings noch genauer ausloten zu können. Die stationäre Zuspielung übernimmt in diesem Fall der mit SSD-Festplatte bestückte AURALIC ARIES MINI, welcher seinen Strom über das Low-Noise Netzteil desselben Herstellers bezieht. Als Musikmaterial für den nachfolgenden Hörtest dienen mir die üblichen Verdächtigen aus Pop, Rock, Klassik und Jazz, gespeichert im FLAC-, AIFF- und DSD-Format.

Klangtest

Die Menge tobt. Keb Mo spielt soeben seinen Hit „Come on back“ beim Livekonzert in Nashville, Tennessee. Und ich bin natürlich wieder unmittelbar dabei. Oh Mann, dies ist wieder eine dieser Rezensionen, bei der ich am liebsten direkt mit der Tür ins Haus fallen würde.

Also gut, warum denn auch nicht. Dies ist nicht nur der erstaunlichste InEar den ich jemals gehört habe, er zählt sicherlich auch zu den besten Kopfhörern der Welt. Ein klanglicher Riese im Miniformat, welcher bezüglich seiner musikalischen Fähigkeiten nur schwerlich zu überbieten sein dürfte. So, das wäre also erledigt.

Dass ein renommierter Hersteller wie AUDEZE angesichts der bereits angesprochenen Diskrepanz von Größe, haptischer und optischer Anmutung und klanglicher Überfliegermentalität überhaupt diesen Schritt in den Kopfhörermarkt wagt, ist durchaus bewundernswert. Und ein nicht unerhebliches Risiko.

Denn todsicher wird der unscheinbare Zwergenhörer vom nächstbesten und betuchten Halbinformierten, welcher in der Regel nie weiter als einen Mausklick entfernt ist, bei nächstbester Gelegenheit mit diversen Smartphones, schmalbrüstigen mobilen Verstärkerchen und LOW FI-Playern verbandelt. Und prompt landen wieder die üblichen Kommentare in den Foren: „Was, dieser Knirps kostet wieviel?“ oder „Der klingt für seinen Preis aber bescheiden. Da klingt ja mein XY für 500,- Euro ja besser!“ Und so weiter.

Dies macht vor allem eines ganz deutlich – sehr gute und insbesondere leistungsstarke KHV sind erste Pflicht! Anderenfalls würde man sprichwörtlich Perlen vor die Säue werfen. An adäquaten Verstärkern jedoch dreht der LCDi4 so richtig auf und skaliert auch jederzeit nachvollziehbar mit ansteigender Qualität des jeweiligen Spielpartners.

Bereits amQP1R blitzt diese in der Kopfhörerwelt wohl einmalige Klangsignatur erstmalig auf und erfährt im KANN eine nochmalige Steigerung. Zumal dessen Leistungsreserven im Gegensatz zum QUESTYLE auch jederzeit ausreichend bemessen sind. Und ich in Ermangelung einer symmetrischen Verbindung noch nicht einmal das ganze Leistungsspektrum des A&K abrufen kann. Vielleicht ja zu einem späteren Zeitpunktbei dem noch ausstehenden Testbericht zum neuen DAP. Thomas hat jedenfalls schon fest zugesagt, mir ein entsprechendes Kabel zeitnah zukommen zu lassen.

Erst ein stationärer Spielpartner vom Schlage eines INPOL EAR zeigt allerdings im Verbund mit dem AUDEZE LCDi4, was der Kleine dann tatsächlich alles drauf hat. Es wirkt dabei schon fast surreal, wenn David und Goliath gemeinsam musizieren. Da solch eine elitäre Kombination in freier Wildbahn aber eher selten anzutreffen sein wird, bleibt der LCDi4 im weiteren Verlauf meiner Rezension dann doch besser mit dem A&K KANN verheiratet. Ist letzten Endes doch etwas praxisgerechter.

Die holographische Abbildung des AUDEZE vermittelt einen untypisch offenen Raumeindruck, ähnlich wie bei sehr guten OverEar-Kopfhörern, aber ohne deren oftmals vernehmbaren, leichten Gehäuseresonanzen in den Ohrmuscheln. Denn in direkter Gegenüberstellung, beispielsweise zu meinem AKG 812 PRO, fällt mir die gefühlsmäßige Abwesenheit einer räumlichen Begrenzung beim LCDi4 auf. Um dies jetzt richtig zu interpretieren. Selbstverständlich projiziert auch der AKG musikalische Ereignisse dreidimensional und präzise gestaffelt in den imaginären Raum. Nur werden diese eben nicht in gleichem Maße „freigestellt“ und dennoch exakt fokussiert und insbesondere derart plastisch wiedergegeben.

In diesem Punkt übertrifft der LCDi4 bei weitem auch seinen kleineren Bruder, den iSINE20. Mein RHA CL750 spielt, typisch für Kopfhörer dieser Bauart, in eher eng definierten Raumgrenzen, mehr oder weniger im Kopf und hinterlässt vergleichsweise einen eher klaustrophobischen Höreindruck. Somit ist er de facto für mich relativ schnell aus dem Rennen.

Würdige Gegner finden sich doch wohl eher bei den „Großen“. Genau genommen passen offene OverEar’s auch wesentlich besser in das Beuteschema des AUDEZE. Kein Witz. Kopfhörer wie beispielsweise meinen HD800S verspeist der Kleine zum Frühstück. Na ja, zumindest ist der SENNHEISER schwer verdaulich.

Das Klangbild des AUDEZE LCDi4 wirkt dazu ausgesprochen natürlich und ausgewogen ohne erkennbare tonale Schwächen. Dies ist schon deshalb erwähnenswert, weil die KH der iSINE Serie, wohl auch durch die Trichterform konstruktionsbedingt, den oberen Mitteltonbereich /unteren Hochton leicht präferieren. Der Frequenzgang wurde beim LCDi4 in diesem Bereich aber abstimmungstechnisch von seinen Entwicklern gekonnt begradigt. Die beiden Enden des Frequenzspektrums werden zudem wesentlich akkurater durchgezeichnet im Vergleich zu meinem iSINE20 und beinahe ohne Pegelverlust reproduziert. Das massive Upgrade zum LCDi4 ist meines Erachtens nahezu vergleichbar mit einem Wechsel vom LCD2 zum LCD4. Apropos LCD4…

LCDi4 gegen LCD4. Diese Frage drängt sich ja jetzt förmlich auf. Ist der Bonsai Magnetostat wirklich auf dem klanglichen Niveau des großen Bruders? Oder gar darüber anzusiedeln? Nun, es ist etwas schwierig, die beiden Kopfhörer direkt miteinander zu vergleichen, zumal sie sich auch tonal voneinander unterscheiden. Während der LCD4 ein eher dunkles Timbre bevorzugt, ist der LCDi4 heller abgestimmt.

Außerdem setzt die Physik hier selbstverständlich Grenzen. Die mehr als 3,5 x so großen Flächenmembranen des Top-Kopfhörers der Amerikaner ermöglichen schlicht und ergreifend einen noch prägnanteren Tiefbassbereich. Auch die Bühnenabbildung erscheint beim LCD4 noch etwas weitläufiger. Ebenfalls eine Folge der physikalischen Gegebenheiten, da das Außenohr im Gegensatz zum LCDi4 ja mit eingebunden werden kann. Denn durch stärkere Reflexionen gelangen auch folglich mehr Hallanteile in die Hörkanäle.

Bezüglich Transparenz, Klarheit und Auflösungsvermögen ergibt sich annährend eine Patt-Situation zwischen den beiden AUDEZE Kopfhörern, mit allerdings minimalen Vorteilen für den LCDi4. Nach Aussagen einiger amerikanischer Forenteilnehmer, welche den neuen InEar bereits ihr Eigen nennen, liegt die Ausarbeitung feinster Klangstrukturen in etwa auf dem Niveau eines KSE1500 von SHURE. Ich werde dies zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht noch genauer verifizieren.

Der LCDi4 übertrifft den großen Bruder zudem in Sachen Geschwindigkeit. Ich habe selten einen Kopfhörer mit einem derart exzellenten Timing vernommen. Der AUDEZE befindet sich in diesem Punkt klar auf Augenhöhe mit den besten Elektrostaten. Nachfolgend die einzelnen Frequenzbereiche im Überblick:

BASS

Der Bassbereich ist für einen InEar Kopfhörer schlichtweg sensationell. Und scheut selbst keinen Vergleich mit einem offenen Bügelkopfhörer der Spitzenklasse. Er erreicht quantitativ ungefähr das Volumen eines AKG 812 PRO, bei etwas höherer Qualität. Der Tiefbass reicht bei entsprechender Leistungszufuhr tief hinab und bleibt dabei jederzeit konturiert und unverzerrt. Der Midbass ist druckvoll und knurrig, der Oberbass impulstreu und schnell. Der Bass des LCDi4 macht der LCD-Serie der Kalifornier auf jeden Fall alle Ehre.

GRUNDTON

Der Grundton besitzt jederzeit ausreichend Wärme und ist dabei vorzüglich austariert. Stimmen erhalten exakt das richtige Maß an Korpus und Schmelz. Vollkommen bruchloser Übergang zum oberen Bassbereich. Somit neutrale und natürlich wirkende Abstimmung. Klasse.

MITTELTON

Der Mitteltonbereich des AUDEZE bedarf keiner weiteren Diskussion. Wunderbare Klangfarben verbinden sich verfärbungsfrei mit einer fantastischen Stimmenwiedergabe bei außergewöhnlich hoher Authentizität. Fein analytisch und dennoch samtig zart. Keinerlei Härten im Klangbild und ohne erkennbare Absenkung der Mitten. Perfekt.

HOCHTON

Fantastisches Auflösungsvermögen bis in allerfeinste Verästelungen, dabei aber niemals überanalytisch. Sehr realistisches Obertonspektrum bei der Reproduktion von Stimmen und Instrumenten. Insgesamt eine unglaublich transparente und emotional musikalische Wiedergabe mit hoher Langzeittauglichkeit. Einfach toll.

DYNAMIK

Nun, ich kann mich nur wiederholen. In der geeigneten Kombination wartet dieser Zwerg mit einer umwerfenden Performance auf: ansatzlos, temporeich und impulsiv, dazu mit feinfühliger Abstufung auch bei kleinsten Veränderungen der Lautstärke. Keinerlei Kompressionseffekt auch bei hoher Leistungszufuhr. Sehr hohe Belastbarkeit, insbesondere für diese Bauform.

Mein Fazit

Diesen Kopfhörer muss man einfach gehört haben, um es tatsächlich zu glauben. Ein Zwerg, der klanglich zum Riesen mutiert. Im Teamwork mit dem entsprechenden Spielpartner spricht das musikalische Ergebnis für sich. Denn die klangfarbenstarke und präzise, aber dennoch jederzeit samtene und völlig stressfrei präsente Darstellung ist mindestens ebenso referenzverdächtig, wie die transparente Räumlichkeit und der fein modulierte aber gleichzeitig druckvoll knurrige Bass, zu dem dieser LCDi4 fähig ist.

Ob der AUDEZE LCDi4 den geforderten Preis von 2995,- € wirklich Wert ist, muss letztendlich natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Wer sich partout nicht mit dieser Bauform anfreunden kann oder auch lieber eher einer exzessiven Materialschlacht frönt, wird mit einer sehr guten OverEar Kopfbedeckung sicherlich glücklicher werden.

Wer aber auf der Suche nach einem Kopfhörer ist, welcher nahezu massefrei am Ohr in der Lage ist, ein hochmusikalisches Inferno vor dem geistigen Auge zu entfesseln und über die leichten Imageschwächen bezüglich Größe und Haptik hinwegsehen kann, dem sei dringend eine ausgiebige Hörprobe an einem adäquaten Spielpartner empfohlen.

Für mich ist der AUDEZE LCDi4 jedenfalls eines der absoluten Highlight in diesem Jahr. Eine innovative Meisterleistung. Ein wahrhaftiger Game Changer. Vergleichbar mit einem (leider) sehr teuren, aber eben auch einzigartigen Wein. Und die genussvolle Verkostung desselben ist für mich immer jeden einzelnen Cent Wert.

Euer Fidelio

Meine Wertung

Klangqualität (60%) : 5 von 5 Ohren
Tragekomfort (20%) : 4 von 5 Ohren
Verarbeitung (20%) : 4 von 5 Ohren

Musicalhead TOP 10
(*) Die Testberichte auf Musicalhead geben ausschließlich meine persönliche Meinung zum Produkt wieder. Es handelt sich hierbei um redaktionelle Beiträge, welche aber durchaus eine werbende Wirkung beim Leser erzielen könnten, ohne dass ich von einem Unternehmen damit beauftragt wurde.


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COMMENTS1

  1. Vielleicht noch interessant für alle i4 Besitzer :
    Habe ich gerade im Head Fi Forum gelesen und ist der Beitrag von Audeze :

    Cipher V2 Lightning cable for LCDi4!

    We’ve had many requests from LCDi4 owners for a version of our Cipher Lightning cable so they would have a nice, integrated amp/DAC solution for travel and voice calls. The original cable couldn’t be used as the amplifier wasn’t powerful enough to drive the LCDi4 correctly. But we now have a new version of our ground-breaking Cipher Lightning cable that will drive the LCDi4s.
    Here’s what’s new in Cipher V2 for i4:

    1) Fully balanced headphone amplifier! The new Cipher V2 has been designed to operate in fully balanced mode. This means that the Cipher V2 delivers double the voltage swing for greater output levels.
    2) Improved DAC and DSP sections – Improves on the already good Amp and DAC for a more transparent sound and adds an even more powerful DSP. Sample rate and bit rate support remains the same as Cipher V1.
    3) It is almost 50% lighter and about 20% smaller than the previous version, making it more comfortable.
    4) New Apple LAM2 chip platform – It also uses the new Apple LAM2 platform for better efficiency and lower power consumption.
    5) Dual microphones — It has two input microphones for clearer voice calls. And the iSINEs were already recognized has having the best call quality of ANY made-for-Apple headset.
    6) Four buttons – A fourth button allows you to mute/un-mute the microphone during conference calls. This is also programmable for additional functions in the future.
    7) A new App to go with it – A new app called “Audeze HQ” accompanies the new Cipher cable and can be downloaded from the App Store.

    THE BEST PART: The Cipher V2 Lightning cable for LCDi4 registered owners, who would like to use it with an iOS device, is FREE! This is our way of saying “Thank You” for being part of the Audeze family. If you already own an LCDi4 and use Apple devices, then just give us a call to get your Cipher V2 cable. This also applies to future purchasers.

    **Please note that the Cipher V2 for iSine10/20 cannot be used with the Cipher V2 cable for the LCD-i4 as they have very different tunings. How do I know if I have Cipher V2 for iSine10/20 or i4. The Audeze HQ app can be used to identify which cable you are using.

    Gruß

    Molto


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