GRADO GH2

Test GRADO GH2

Heute rezensiere ich für euch wieder einmal einen Kopfhörer aus der Heritage-Serie des amerikanischen Herstellers GRADO – den auf 1.000 Exemplare limitierten GH2.

Gerade die On-Ear Modelle der kleinen Manufaktur in New York liegen mir ganz besonders am Herzen – war es doch ein GRADO RS1, welcher vor einigen Jahren meine Leidenschaft für das Kopfhören überhaupt erst wieder neu entfachte.

Wenn meine liebe Frau, welche sich damals wahrscheinlich überhaupt nichts Böses dabei dachte, als sie mich an meinem Geburtstag mit dem unscheinbaren Kleinod beglückte, geahnt hätte, welche unabsehbare Folgen dieses highfidele Geschenk nach sich ziehen würde, wäre ihre erste Wahl wohl eher auf mehrere dutzend Socken gefallen.

Denn im Verlaufe der letzten Jahre ist meine Kopfhörersammlung nicht nur sukzessive angewachsen, auch meine klanglichen Maßstäbe haben sich aufgrund der zwischenzeitlich getesteten Gerätschaften doch „geringfügig“ nach oben verschoben.

Und als bekennender Gralsritter scheue ich bekanntlich keine finanziellen Mittel, wenn mich das klangliche Ergebnis auf dem Weg zu meinem persönlichen Gral ein paar Schritte weiter voranbringt. Glücklicherweise besitzt meine tolerante bessere Hälfte sehr viel Geduld mit dem in ihren Augen bedauernswerten Mann.

Aber zurück zum Thema. Die Ohrlautsprecher aus Brooklyn nehmen für mich nach wie vor eine klangliche Sonderstellung im Kopfhörerhimmel ein. Dabei beeindrucken die handgefertigten Einzelstücke weder mit den gewaltigsten Bässen, den körperreichsten Mitten oder den filigransten Höhen.

Sie überzeugen in erster Linie mit einer überragenden Musikalität. Und der neueste Streich der New Yorker Schmiede knüpft selbstverständlich an diese lange Tradition an. Aber dazu später mehr im Klangtest.

Ich möchte mich an dieser Stelle übrigens noch einmal ganz herzlich bei Frank Schick vom deutschen GRADO-Vertrieb für die zeitnahe Teststellung des GH2 bedanken.

Verpackung & Ausstattung

Auch der GRADO GH2 wird seit gefühlten 100 Jahren ganz pragmatisch in dem typisch quadratischen Pizzakarton ausgeliefert, im vorliegenden Fall in einem hellen Heritage-Blau. Die Ausstattung im Inneren der Pappschachtel ist dabei ebenso spärlich bemessen wie es schon die Umverpackung suggeriert.

Neben dem obligatorischen und in Schaumstoff eingebetteten Kopfhörer finde ich noch einen aufsteckbaren Klinkenadapter von 3,5 auf 6,3 mm für die nicht abnehmbaren und beidseitig geführten Kabelzuleitungen, sowie einen kurzen schriftlichen Willkommensgruß in englischer Sprache bezüglich einer persönlichen Aufnahme in die große GRADO Familie nebst ausführlichen Glückwünschen zum Erwerb des GH2.

Ach so, fast hätte ich noch die Garantiekarte vergessen, welche praktischerweise direkt auf den Boden des Pizzakartons aufgedruckt wird und so im Fall der Fälle gemeinsam mit dem Ohrlautsprecher in der Originalverpackung wieder direkt an den Hersteller zurückgeschickt werden kann. Das nenne ich mal Minimalismus in Reinform.

Verarbeitung & Tragekomfort

Die Verarbeitungsqualität des GRADO GH2 ist für ein vollständig von Hand gefertigtes Produkt durchaus zufriedenstellend. Einzelne Bauteile des Kopfhörers sind sogar sehr aufwendig verarbeitet, beispielsweise die aus edlem Cocobolo-Holz gefertigten Treibergehäuse.

Im Gegensatz zum Erstlingswerk GH1 sind die Kanten zudem jetzt außen abgerundet, was die optische Wertigkeit meiner Meinung nach zusätzlich erhöht. Im Übrigen ist das sündteure Instrumentenholz mit einer paarweise selektierten Maserung zum Verlieben versehen.

Das ordentlich vernähte Kopfband aus schwarzem Rindsleder ist beim GH2 auch wieder stärker abgepolstert als beim GH1, was wiederum dem Tragekomfort zugute kommt. Auch die auswechselbaren Ohrpolster aus Schaumstoff sind sehr passgenau ausgeschnitten und schmiegen sich nach ein oder zwei Waschvorgängen mit einem sanften Spülmittel zudem sehr weich und kratzfrei an die Ohren an.

Da der GRADO GH2 mit einem Gewicht von lediglich 190 g außerdem zu den absoluten Leichtgewichten unter den Kopfhörern zählt, steht langen und ausgiebigen Hörabenden demzufolge gar nichts mehr im Wege.

Lediglich die Treibergabeln aus schwarzem Kunststoff, sowie die entsprechenden Aufnahmen aus dem gleichen Material mögen IMO so gar nicht in das Bild eines Kopfhörers dieser Preisklasse passen. Aber auch diese „Anomalie“ folgt bereits einer langen Tradition im Hause GRADO. Und besitzt auf eine gewisse Art und Weise auch einen ganz eigenen und rustikalen Charme.

Technik

GRADO LABS verwendet beim dem offenen On-Ear Kopfhörer die neuesten Konustreiber in der RED-Ausführung mit einem Durchmesser von 44 mm. Auch die Qualität der Kabelzuleitungen wurde nach Aussage von John Grado in der neuen Serie signifikant verbessert.

Mit einem Kennschalldruck von 99 db und einer Impedanz von 32 Ohm kann der GRADO GH2 zudem auch problemlos von mobilen Gerätschaften, wie beispielsweise DAP, betrieben werden. Der implementierte 3,5 mm Klinkenanschluss spricht hier bereits eine deutliche Sprache und zeugt folglich schon im Vorfeld von dieser Möglichkeit. Obgleich das akustisch völlig offene System den mobilen Einsatz auf etwas ruhigere Umgebungen einschränkt.

Allerdings habe ich kürzlich festgestellt, dass diese Auslegung in einer Partnerschaft durchaus Vorteile bieten kann. Bei unseren gemeinsamen Spaziergängen im nahegelegenen Waldgebiet konnte ich nämlich meinen musikalischen Pretiosen frönen und gleichsam eine rudimentäre Kommunikation mit meinem zweibeinigen Schatz pflegen. Sehr sozialverträglich.

Vorbereitung

Für den nun anstehenden Testbericht wähle ich zunächst die entsprechenden Spielpartner für den GRADO GH2 aus. Meine Wahl fällt zum Einen auf meinen QUESTYLE QP2R als typischen Vertreter der mobilen Fraktion. Der kleine HIGH-END DAP eignet sich meiner Erfahrung nach aufgrund seiner hohen Stromlieferfähigkeit ganz hervorragend für eine langfristige Beziehung zu den Kopfhörern aus Brooklyn.

Ein ausführlicher Testbericht zum neuen QP2R ist selbstverständlich schon fest von mir eingeplant. Vielleicht ja noch vor Weihnachten. Nur das Jahr steht noch nicht so ganz fest.

Zum Anderen kann sich der GRADO GH2 am METRUM ACOUSTICS AMETHYST, einem NOS-DAC/Kopfhörerverstärker der neuesten Generation, beweisen. Der brandneue Geheimtipp der niederländischen Manufaktur ist in der Lage, auch anspruchvolle Magnetostaten problemlos anzutreiben und sollte in Kombination mit dem GH2 somit vor keinerlei technische Probleme gestellt werden.

Der AMETHYST bezieht seine Daten wie so oft von meinem iMAC mit optimierter AUDIRVANA-Software, verbunden über ein AUDIOQUEST CINNAMON-Digitalkabel. Als Musikmaterial dienen mir dabei die üblichen Verdächtigen aus Pop, Rock, Klassik und Jazz, gespeichert vorwiegend als FLAC- und AIFF Dateien. DSD-Formate kann der Not-Over-Sampling-Wandler übrigens nicht verarbeiten.

Um das nachfolgende klangliche Ergebnis besser in einen Kontext bezüglich einer eventuellen Veränderung der Klangsignatur von GRADO-Kopfhörern über die Zeit einordnen zu können, vergleiche ich den GH2 zudem mit meinem schon etwas betagteren RS1 Modell.

Der GH2 wurde vor Beginn meiner Rezension selbstverständlich 150 Stunden penibel eingespielt. Weitere Informationen zum GRADO GH2 erhaltet ihr natürlich auch unter: https://www.gradolabs.com/headphones/limited-editions/item/65-gh2

Klangtest

Los geht es heute wieder einmal mit dem kleineren der beiden Spielpartner. Und bereits am QUESTYLE QP2R fällt mir nach einigen Minuten auf, dass der GRADO GH2 mit einer nahezu einwandfreien Tonalität aufwartet und der Kopfhörer sehr gut ausbalanciert aufspielt.

Wo der GRADO RS1 vergleichsweise mit leicht angehobenen Bässen und Höhen auffällt, pflegt der GH2 den Mitteltonbereich in gleichberechtigtem Maße. Hier folgt der Cocobolo-Hörer der neuerlichen Klangphilosophie von John Grado, welche schon mit dem GH1 eingeleitet wurde und im PS2000e bislang seine Vollendung findet. Meine Testberichte zu beiden GRADO Kopfhörern findet ihr im Übrigen unter Rezensionen.

Eine IMO begrüßenswerte Entwicklung, zumal die nunmehr neutralere Gesamtabstimmung sicherlich auch neue Kunden ansprechen wird, welche bisher mit den Ohrlautsprechern der New Yorker Manufaktur nicht sonderlich viel anfangen konnten.

Bereits an dem DAP von QUESTYLE entfaltet der GH2 eine ansprechende Dynamik und Spielfreude. Der Bass reicht für einen Kopfhörer dieser Bauart ungewöhnlich tief hinab und überzeugt mit einem trockenen Anschlag sowie einer guten Separierung der einzelnen Bereiche. Der Oberbass wird dabei allerdings ein wenig favorisiert und kaschiert so ein wenig die leichte Schwäche bei der Wiedergabe allertiefster Frequenzen.

Der Grundtonbereich wirkt, wahrscheinlich auch bedingt durch die leichte Bassanhebung um 100 Hz, sehr erdig und verleiht Stimmen und Instrumenten eine angenehm wohlige Wärme. Dennoch bleibt der GRADO weitgehend der Neutralität verpflichtet. Dies fällt besonders im direkten Vergleich zum RS1 auf.

Denn insbesondere im mittleren Frequenzbereich wirken Stimmen und Instrumente beim RS1 leicht distanzierter, was des Öfteren zwar eine erhöhte Räumlichkeit suggeriert, dessen klangliche Abstimmungsarbeit aber gelegentlich an die berühmte Badewanne erinnert.

Der GRADO GH2 führt die musikalischen Ereignisse näher an den Zuhörer heran, was in erster Linie zu einer besseren Durchzeichnung selbiger führt. Die klangliche Darbietung wirkt zudem auch kohärenter und in sich geschlossener. Praktisch Musik wie aus einem Guss.

Der Hochtonbereich des GH2 fügt sich dazu sehr harmonisch in den klanglichen Kontext mit ein. Gerade frühere Kopfhörerserien, zu denen auch der RS1 zählt, fallen abhängig vom jeweiligen Musikmaterial oft mit einer leicht scharfen Reproduktion von Sibilanten negativ auf. Der GH2 schmeichelt dem Gehör hingegen mit geradezu seidigen Höhen, ohne aber dabei feinste Details zu unterschlagen. Denn das Auflösungsvermögen des neuen Grado ist ganz vorzüglich.

In der Kombination mit dem METRUM ACOUSTICS AMETHYST schließlich werden nicht nur alle Frequenzbereiche hörbar nachgeschärft, auch das räumliche Abbildungsvermögen profitiert von den deutlich höheren Leistungsreserven des Kopfhörerverstärkers.

Der Bass des GH2 gewinnt vernehmlich an Druck und Kontur, aber auch der Mitteltonbereich wirkt plastischer bei gleichsam erhöhter Transparenz und spürbar mehr Luft zwischen den einzelnen Akteuren. Auch die virtuelle Raumgröße expandiert in die Breite und im besonderen Maße in die Tiefe. Die jeweilige Staffelung gelingt dem GH2 am niederländischen Spielpartner eindeutig besser.

Der AMETHYST erweist sich im weiteren Verlauf als nahezu idealer Gefährte für den GRADO GH2. Denn gerade die überaus plastische Reproduktion von Stimmen und Instrumenten mit wunderbaren Klangfarben, zu welcher die NOS-Wandlersektion des METRUM ACOUSTICS fähig ist, weiß der famose Kopfhörer am anderen Ende eindrucksvoll und gekonnt in Szene zu setzen.

Auch das obere Frequenzspektrum gefällt mir am AMETHYST noch ein wenig besser als am wahrlich nicht schlechten QP2R. Bei höheren Abhörlautstärken behält der KHV einfach souveräner die Kontrolle und verkneift sich ungebührliche Härten im Klangbild vollständig.

Also insgesamt viel Licht, aber auch hier und da ein wenig Schatten. Denn selbst der GH2 bezahlt die überragende Durchhörbarkeit aller GRADO Kopfhörer bei mittleren Frequenzen mit einer leichten Überhöhung im Präsenzbereich.

Dadurch bedingt kann der On-Ear bei höheren Pegeln, abhängig von der gewählten musikalischen Kost, mitunter etwas lästig wirken. Ein kurzer Dreh am Lautstärkeregler gegen den Uhrzeigersinn schafft hier aber selbstverständlich schnell Abhilfe.

Der GH2 verliert an etwas leistungsschwächeren Spielpartnern, wie dem QP2R, bei eben diesen Abhörlautstärken auch gelegentlich etwas die Übersicht über das klangliche Geschehen und komprimiert gleichermaßen Dynamik und Raum. Auch hier empfiehlt sich ab und an eine Korrektur über den entsprechenden Volumeregler.

Nachfolgend noch einmal die einzelnen klanglichen Kriterien im Überblick:

BASS

Solides Bassfundament mit schnellem und knurrig konturiertem Bass, aber ohne den ultimativen Tiefgang. Sehr gutes Timing. Benötigt für hohe Pegel aber eine entsprechende Leistungszufuhr.

GRUNDTON

Tendenziell neutrale Abstimmung mit angenehm warmer Note. Stimmen und Instrumenten wird jederzeit genügend Fundament und Korpus verliehen.

MITTELTON

Hoher Klangfarbenreichtum und hervorragende Durchzeichnung des Mitteltonbereiches. Insgesamt sehr transparente und detailreiche Wiedergabe. Ausgezeichneter musikalischer Fluss. Leicht vordergründige obere Mitten.

HOCHTON

Seidiger aber gleichsam akkurat aufgelöster Hochtonbereich. Ausgezeichnete Detailarbeit. Unaufdringliche Wiedergabe bis zu gehobenen Abhörlautstärken. Darüber gelegentlich ermüdend.

DYNAMIK

Superbe Ausleuchtung feindynamischer Schattierungen. Grobdynamik abhängig vom jeweiligen Spielpartner ebenfalls auf einem guten Niveau. Allerdings leicht eingeschränkte Pegelfestigkeit.

RÄUMLICHKEIT

Für diese Bauart (On Ear) herausragende räumliche Abbildung. Sehr gute Tiefenstaffelung an adäquaten Spielpartnern. Beeindruckend weiträumige Bühnenabbildung. Sehr offenes Klangbild.

Mein Fazit

Der neue GH2 macht dem Namen GRADO nicht nur alle Ehre, er gehört zweifellos zu den besten Ohrlautsprechern, welche die heiligen Hallen in Brooklyn jemals verlassen haben. Der GRADO GH2 ist tonal vorzüglich ausbalanciert, mit tendenziell warmer Note, aber dennoch mit einer weitgehend neutral gehaltenen Gesamtabstimmung.

Der Kopfhörer begeistert zudem mit seiner musikalischen Integrität und zeigt selbst meinem RS1 klar die Rücklichter. Die nicht völlig zufriedenstellende Pegelfestigkeit (wohlgemerkt bei ohrenbetäubenden Lautstärken) fällt dabei IMO nicht weiter ins Gewicht.

Zu dem ausgewiesenen offiziellen Verkaufspreis von 749,- € kann ich dem GRADO GH2 demzufolge nur meine ausdrückliche Empfehlung aussprechen. Ganz sicher einer der allerbesten Offerten in der Preisklasse bis 1.000,- €. Stellt auch anspruchsvollste Gralsritter des Klanges mehr als zufrieden. Also unbedingt Probehören.

Höchstwahrscheinlich auch ziemlich zügig, denn der GH2 wird aufgrund seiner überragenden musikalischen Qualitäten sicherlich schon sehr bald ausverkauft sein. Für GRADO Fans ein Muss!

Euer Fidelio

Meine Wertung

Klangqualität (60%) : 4 von 5 Ohren
Tragekomfort (20%) : 3 von 5 Ohren
Verarbeitung (20%) : 3 von 5 Ohren



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COMMENTS2

  1. Hallo Wolfgang,
    sehr guter Bericht über den GH2.Da kann ich absolut konform mit Dir gehen,nur fasst Du es in bessere Worte als ich bei meiner Beschreibung,
    Wenn Du die Möglichkeit hast hänge ihn mal an eine Röhre.
    Den GH2 werde ich jedenfalls nicht mehr hergeben.

    Gruß

    Micha

  2. Hi Wolfgang,
    da wir augenscheinlich Anhänger der gleichen Klangsignatur sind und ich jetzt schon mehrfach aufgrund Deiner ganz hervorragend verfassten Rezensionen Geld unter das Volk gebracht habe, ist genau das jetzt erneut passiert: Ein gebrauchter GH2 wird die Tage bei mir eintreffen 🙂

    VG
    Martin


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