Kopfhörer B&W P9

Test BOWERS & WILKINS P9

Heute teste ich für euch das neue Kopfhörer-Flaggschiff P9 SIGNATURE des britischen HIFI-Herstellers BOWERS & WILKINS.

Ehrlich gesagt konnte ich den Kopfhörermodellen dieser Marke bislang noch nie besonders viel abgewinnen. Genauer gesagt endeten meine musikalischen Hörproben in den meisten Fällen bereits schon nach wenigen Minuten im entsprechenden Ladengeschäft. Ganz egal ob P3, P5 oder P7, angeleint oder kabellos spielend, die basslastige Abstimmung der Hörer traf einfach nicht meinen persönlichen Hörgeschmack. Zumal dieser Bereich den übrigen Frequenzbereich zu jeder Zeit dominierend überlagerte und die Mitten und Höhen somit zu einem Mauerblümchendasein degradierten.

Und jetzt folgt der neue P9 Tophörer der Britten. Erfahrungsgemäß also so gar nicht mein Fall. Aber natürlich sollte man dem Ganzen ja immer eine Chance geben und seine Vorurteile schon aus Fairnessgründen über Bord werfen. Außerdem siegt bei mir letztendlich dann doch wieder die Neugier. Als mir mein Aachener Fachhändler Klangpunkt den neuen Tophörer von BOWERS & WILKINS für einige Tage zum Testen anbot, konnte ich natürlich nicht widerstehen. Übrigens vielen Dank dafür.

Zunächst einmal möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass ich den Produkten der berühmten britischen Schmiede nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehe. Ganz im Gegenteil. Die Lautsprecher der 800 Serie, insbesondere die neue D3 Version, zählen handwerklich und auch klanglich sicherlich zu den Besten ihrer Zunft. Nur wurden eben die bisherigen Kopfhörerderivate der Marke aus meiner Sicht zumindest den eigenen klanglichen Ansprüchen nicht unbedingt gerecht.

Verarbeitung & Tragekomfort

Was soll ich sagen. Typisch BOWERS & WILKINS. Professionelle und zweckmäßige Verpackung (glücklicherweise nicht noch eine Holzkiste) und viel Zubehör für den mobilen und stationären Einsatz. Hochwertige Alcantara Transporttasche, 3 steckbare Anschlusskabel in verschiedenen Ausführungen und Längen (sowie die kostenlose Option für eine weitere Version mit Apple-Lightning-Adapter ab Frühjahr 2017), ein Klinkenadapter von 3.5 auf 6.3 und natürlich – ein Over Ear Kopfhörer in absolut perfekter Verarbeitung.

Ganz im Ernst. Selten weist ein Kopfhörer einen derart hohen Verarbeitungsstandard auf. Und dies ist durchaus klassenübergreifend zu verstehen. Denn auch in 3.000 €+ Regionen würde der P9 bezüglich Materialauswahl und Design ohne jeglichen Zweifel glänzend bestehen.

Sowohl der klappbare Kopfbügel als auch die Halterungen der Ohrmuscheln mit Memory Schaumstoff Polsterung bestehen aus eloxiertem Aluminium. Diese sind genauso mit feinstem braunem italienischem Leder bezogen, wie die angenehm weiche und großflächige Polsterung des Bügels. Die magnetisch arretierenden Ohrpolster bestehen ebenfalls aus der edlen Kuhhaut. Der BOWERS & WILKINS besitzt einen genügend großen Einstellbereich, um nahezu jeder Kopfform gerecht zu werden. Der Anpressdruck des Hörers ist zudem ausreichend straff gewählt, damit er auch für den mobilen Betrieb im Straßeneinsatz optimal gerüstet ist. Der Kopfhörer ist mit 400 g allerdings kein Leichtgewicht, was sicherlich in erster Linie den edlen Materialien geschuldet ist. Trotzdem schätze ich den P9 als durchaus langzeittauglich ein.

Die 40 mm messenden und nylonbedämpften Membranen der dynamischen Treiber des P9 sind flexibel auf einer Aluminium-Trägerplatte fixiert und leicht angewinkelt auf die Ohren des Nutzers ausgerichtet, um den räumlichen Eindruck zu steigern. Aber dazu später mehr. Meine beiden Ohren finden im Übrigen in den Aussparungen der Muscheln gerade noch genügend Platz, ohne die Polster direkt zu berühren. Interessenten mit Segelexemplaren sollten diesen Aspekt also vielleicht berücksichtigen.

Bis zu diesem Punkt aber eine insgesamt wirklich eindrucksvolle Vorstellung des neuen Kopfhörers von BOWERS & WILKINS. Der P9 besitzt mit einer Impedanz von 22 Ohm zudem eine sehr hohe Empfindlichkeit von 103 db/mW und eignet sich so hervorragend für den mobilen Betrieb am Smartph….NEIN, eben nicht. Diese Aussage des Herstellers kann ich so leider nicht teilen. Aber auch dazu später mehr.

Vorbereitung

Wenn ihr jetzt vielleicht noch technische Details vermisst oder einfach nur weitere Informationen wünscht, empfehle ich euch wie immer die allwissenden Suchmaschinen im World Wide Web zu bemühen. Dort lassen sich dann auch noch zahlreiche Infos zum P9 bezüglich der eigens konstruierten CCAW Schwingspulen der klassischen Konusmembranen aus einem speziellen Composite Material oder der neuartigen und hochflexiblen Einspannung derselben herausfischen.

Zunächst wird der frisch ausgepackte Hörer von mir ca. 40 Stunden „eingefahren“. Der englische Hersteller gibt allerdings eine Einspielzeit von 100 Stunden an. Dies ist in dem von mir zur Verfügung stehenden Zeitfenster aber leider nicht möglich. Ich habe den BOWERS & WILKINS P9 nachfolgend sowohl mit mobilen Zuspielern wie meinem OPPO HA2 in Kombination mit meinem IPHONE 6S+ (verkabelt über ein AUDIOQUEST CINNAMON) als auch mit meinem QUESTYLE QP1R getestet. Und ja, das Smartphone habe ich dann tatsächlich kurzzeitig auch direkt angeschlossen. Allerdings sehr kurz.

Um die klanglichen Fähigkeiten des P9 im Vergleich zu meinen anderen (geschlossenen) Hörern besser beurteilen zu können, wird der KH im Anschluss auch stationär mit meinem QUESTYLE CMA800R verbunden. Als Hörbeispiele für diesen Test dienen mir übrigens wiederum die üblichen Verdächtigen aus Klassik, Pop, Rock und Jazz, welche ich zwischenzeitlich wohl schon in- und auswendig kenne.

Klangtest

Beginnen wir einfach mit dem Worst-Case Szenario. Und schließen den Kopfhörer, wie bereits oben angedroht, direkt an ein Smartphone an. In diesem Fall an mein IPHONE 6S+. Welches in der Riege der Smartphones sicherlich nicht mit dem schwachbrüstigsten Verstärkermodul aufwartet. Und erhalten somit in Folge die bekannte und typische P-Signatur. Einer „Pretiose“ der Marke BEATS nicht ganz unähnlich.

Um dies nicht falsch zu verstehen. Sicherlich werden wohl viele Nutzer, insbesondere im mobilen Einsatz, mit dieser klanglichen Abstimmung durchaus gut leben können. Zumal der Kopfhörer Außengeräusche sehr passabel abschottet und der prägnante Bass unterwegs psychoakustisch nicht übermäßig auffällig in Erscheinung tritt. Und natürlich dröselt der P9 den übrigen Frequenzbereich auch besser auf als seine kleineren Brüder. Nur plätschert jegliche Musikauswahl eben leider auch etwas motivationslos vor sich hin. Wobei ich in diesem Zusammenhang am ehesten noch Pop-Musik favorisiere, welche zumeist ja nicht unbedingt die High-Endigsten Anprüche erfüllen muss.

Noch einmal. Der BOWERS & WILKINS P9 klingt am Smartphone grundsätzlich gut. Aber dies gelingt einem P5 im Prinzip ebenfalls. Abgesehen von der hervorragenden Verarbeitung, dem Zubehör und dem nicht unerheblichen Image-Gewinn gäbe es für mich aber keinen Grund, für einen Mobilkopfhörer den nahezu 3-fachen Preis beim Händler meines Vertrauens über die Ladentheke zu schieben. Von einem Kopfhörer der 1.000 € Klasse erwarte ich in klanglicher Hinsicht einfach mehr.

Ok. Ich mache mir jetzt, wie immer in solchen Fällen, erst einmal eine leckere Tasse Kaffee und sinniere ein wenig über die Zweckmäßigkeit von Kopfhörerbuchsen bei Smartphones. Die Hersteller statten ihre Geräte, um einen Vergleich mit der Automobilbranche heranzuziehen, wie Luxuslimousinen mit 2 Tonnen Gesamtgewicht aus und versehen die entsprechenden Motörchen mit einer Antriebsleistung von 40 PS, um diese letztendlich (je nach Kopfhörermodell) auf bis zu 305’er Breitreifen zu übertragen. Hmm, vielleicht ist es ja im Sinne einer halbwegs realistischen musikalischen Reproduktion doch eine gute Idee von Apple, diese Art von Anschlüssen zukünftig weg zu rationalisieren.

Höchste Zeit also, dem Motor ein paar Pferdestärken mehr einzuhauchen. Also verbinde ich den P9 mit meinem OPPO HA2 und starte einen neuen Versuch. Der Klanggewinn ist beachtlich. Der gesamte Bassbereich gewinnt gewaltig an Kontur, Bassläufe lassen sich wesentlich einfacher nachverfolgen. Der zuvor eingedickte und etwas schwammig wirkende Bass direkt am IPHONE weicht einer enorm druckvollen sowie einer signifikant strafferen Version. Somit nimmt am HA2 nur die Bassqualität des P9 zu, nicht aber die Quantität.

Der Bassbereich überlagert auch zu keiner Zeit den ebenfalls opulenten Grundton, welcher dem BOWERS & WILKINS dadurch aber eine angenehm warme Tonalität verleiht. Durch die ungleich höheren Leistungsreserven des OPPO gewinnen die musikalischen Darbietungen dramatisch an Dynamik, gerade auch bei den mittleren und hohen Frequenzen. Dadurch wirkt das gesamte Klangbild insgesamt wesentlich kohärenter.

Durch die Verbindung mit meinem QUESTYLE QP1R erfährt der P9 ein weiteres Mal eine klangliche Steigerung. Die Klangsignatur des QP1R harmoniert ganz hervorragend mit dem britischen Kopfhörer. Die musikalische Bühne öffnet sich im Vergleich zum OPPO HA2 nochmals in Breite und Tiefe, die durch den Hörer definierte Raumgröße wirkt zudem glaubwürdiger. Während der Bassbereich im Vergleich zum Chinesen keine wesentliche Steigerung in Sachen Tiefe und Druck erfährt, verbessert sich allerdings das musikalische Timing. Dadurch bedingt gelingt der Kombination aus QP1 und P9 ein nahezu bruchloser Übergang in den Mitteltonbereich. Derselbe profitiert zudem durch eine gesteigerte Körperhaftigkeit, insbesondere bei der Wiedergabe von Stimmen. Die hohen Töne zeichnen sich außerdem durch eine etwas bessere Detailarbeit aus. Das Klangbild wirkt jetzt wie aus einem Guss, bleibt aber selbstverständlich tendenziell immer auf der eher wohlig warmen Seite.

Das Beste kommt bekanntlich wie immer zum Schluss. Die Kombination mit meinem QUESTYLE CMA800R zeigt wieder einmal eindrucksvoll, dass (im übertragenden Sinne) Hubraum durch nichts zu ersetzen ist. Außer durch noch mehr Hubraum. Und dass natürlich der Motor möglichst perfekt auf das Fahrwerk abgestimmt sein sollte. Und dies führt im vorliegenden Fall zu einem ganz fantastischen Fahrverhalten.

Mit dem CMA800R ist der P9 SIGNATURE nun endlich in der 1.000 € Liga angekommen. Er skaliert jederzeit mit leistungsfähigeren Spielpartnern und bestätigt dadurch seine Klasse. Dies unterscheidet ihn dann eben doch von den kleineren P-Modellen des britischen Herstellers. Meine Welt ist somit wieder in Ordnung.

Der P9 läuft also am QUESTYLE endlich zur Hochform auf. Eine unbändige Grob-, gepaart mit einer filigranen Feindynamik. Ein fast schon körperhafter Bass, nahezu vergleichbar mit einer Wiedergabe über Lautsprecher. Überhaupt. Die musikalische Präsentation über den P9 wirkt sehr authentisch, was diesen Eindruck noch verstärkt. Dazu agiert der BOWERS & WILKINS grundsätzlich sehr verfärbungsfrei. Stimmen und Instrumente werden zudem homogen und im richtigen Größenverhältnis dargestellt und auf einer imaginären Bühne leicht vor dem Kopf platziert. Auch die räumliche Zuordnung gelingt sehr genau, einzelne Ereignisse werden gut voneinander separiert.

Also viel Licht und kein Schatten? Aber ja doch. Zunächst einmal ist die bass- und grundtonstarke Abstimmung natürlich nicht jedermanns Sache. Auch das geschlossene Bauprinzip birgt systemimmanente Nachteile in sich wie die insgesamt nur befriedigende Transparenz. Auch der „Hochtonglanz“ leidet selbstverständlich leicht darunter, was gelegentlich mit dem berühmten Schleier beschrieben werden könnte. Aber im Vergleich mit beispielsweise dem BEYERDYNAMIC T5P macht der P9 in dieser Disziplin wirklich nichts schlechter. Anhänger der „offenen Lehre“, welche nach wie vor auf der bedingungslosen Suche nach dem klanglichen Gral sind, werden sich mit dem geschlossenen Prinzip sowieso niemals anfreunden können. Außerdem sollte man sich auch stets das entsprechende Preisschild vor Augen führen. Denn immerhin bewegen wir uns immer noch in der 1.000 € Klasse. Und selbstredend gibt es bessere Kopfhörer. Aber mit einer inzwischen leider nach oben offenen Preisgestaltung einzelner Hersteller. Aus meiner Sicht eine sehr bedenkliche Entwicklung.

Mein Fazit

Der BOWERS & WILKINS P9 SIGNATURE ist mit deutlichem Abstand der bislang beste Kopfhörer des britischen Herstellers und macht dem 50 jährigen Firmenjubiläum alle Ehre. Die klangtechnische Ausrichtung tendiert, leistungsstarke Partner vorausgesetzt, zwar durch die nicht ganz neutrale, etwas „vollmundige“ Abstimmung eher in die warme Ecke, besticht aber durch eine lebendige und dynamische Spielart sowie durch eine plastische Abbildung und eine hohe Ortungsschärfe.

Zumal der P9 sehr gut mit der angeschlossenen Elektronik skaliert und somit allerlei Möglichkeiten bietet, den persönlichen Spieltrieb zu befriedigen. Wer also auf der Suche nach einem geschlossenen Kopfhörer mit einem breiten mobilen und stationären Wirkungsspektrum ist, sollte den neuen P9 zu einem unverbindlichen Verkaufspreis von 899,- € auf jeden Fall einmal probehören.

Euer Fidelio

Meine Wertung

Klangqualität (60%) : 2 von 5 Ohren
Tragekomfort (20%) : 3 von 5 Ohren
Verarbeitung (20%) : 5 von 5 Ohren

(*) Die Testberichte auf Musicalhead geben ausschließlich meine persönliche Meinung zum Produkt wieder. Es handelt sich hierbei um redaktionelle Beiträge, welche aber durchaus eine werbende Wirkung beim Leser erzielen könnten, ohne dass ich von einem Unternehmen damit beauftragt wurde.


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