Grado RS1x im Test auf Musiacalhead

Hörtest GRADO RS1X

Da bin ich mal wieder. Heute mit einem Testbericht zum GRADO RS1X, der neuesten Kopfhörer Kreation der kleinen High-End Manufaktur aus Brooklyn in New York. 

Und wie vielleicht einige von euch wissen, markierte der ursprüngliche RS1 vor vielen Jahren den eigentlichen Startschuss für meine Schreiberei auf Musicalhead. Infolgedessen war ich natürlich sehr gespannt, ob die aktuelle Version des veritablen GRADO Klassikers das Erstlingswerk tatsächlich klanglich noch übertreffen kann.

Zumal Grado Labs materialtechnisch einen nicht unerheblichen Aufwand betrieben hat, um die X-Variante akustisch ins rechte Licht zu rücken, sich die aktuelle preisliche Gestaltung aber nur unwesentlich von der damaligen Offerte unterscheidet. 

Denn wurde der RS1 im Jahre 2010 für 849,- Euronen angeboten, müssen für den RS1X heute gerade einmal 899,- der europäischen Währung an den Händler des Vertrauens entrichtet werden. 

Diese doch eher moderate Preissteigerung des kompakten On-Ear Kopfhörers aus den USA ist gerade im hiesigen Umfeld der Mitbewerber natürlich äußerst begrüssenswert und schafft infolgedessen eine veritable Vertrauensbasis für das aus meiner Sicht mehr als faire preisliche Management des amerikanischen Familienunternehmens. 

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei dem Team des Hi-Fidelity-Studio’s bedanken, welches die zumeist hölzernen Ohrlautsprecher als offizieller deutscher Importeur direkt aus New York bezieht und mir mein Testexemplar nicht nur zeitnah, sondern zudem auch völlig unbürokratisch zur Verfügung gestellt hat.  

Der Grado-Faktor 

Der leicht anachronistische Ansatz von Grado Labs hat mich schon immer fasziniert. Betrachtet man den neuen RS1X zum allerersten Mal und vergleicht ihn anschließend mit dem über 12 Jahre älteren Urgestein des Kopfhörerbaus – dem RS1 – scheint die Zeit ganz offensichtlich stehen geblieben zu sein. 

Seitdem die Amerikaner im Jahre 1953 mit der Konstruktion von Ohrlautsprechern begannen, wurde insbesondere der Werkstoff Holz zum zentralen Bestandteil der New Yorker Werkbänke und dominiert nach wie vor das klassische Erscheinungsbild der liebevoll von Hand gefertigten Kopfhörerpretiosen aus Brooklyn. 

Die geniale, weil nahezu unverwüstliche und zugleich leichtgewichtige Kopfbügelkonstruktion in Kombination mit den sorgfältig gefertigten hölzernen Treibergehäusen und den einfach gestalteten – wenngleich akustisch perfektionierten – Ohrpolstern aus schlichtem Schaumstoff, begeistern mich selbst nach den vielen Jahren und unzähligen Rezensionen immer wieder aufs Neue. Reduce to the Max.  

Zumal der angenehme Duft der jahrzehntelang bewährten Lederpolsterung und die wohlig-intensiv wahrgenommenen Aromen der verwendeten Hölzer gleichermaßen die Sinne betören. 

Der GRADO RS1X sammelt somit bereits bei der ersten Inaugenscheinnahme und vor einer schlussendlich kaufrelevanten Hörprobe fleissig Pluspunkte hinsichtlich Optik, Haptik und Sensorik – zumindest bei mir.

Klassiker 2.0

Denn selbstverständlich könnte der kritische Gralsritter der feinen Töne bei einer weniger emotionalen Betrachtungsweise durchaus zu einer anderen Schlussfolgerung gelangen. Technische Innovation = Fehlanzeige. Optimaler Tragekomfort = eher nebensächlich. Wechselbare Kabelverbindungen = gar nicht erst vorgesehen. 

Wenngleich in Sachen Kabelqualität eindeutig Fortschritte zu verzeichnen sind. Vorbei die Zeiten hässlicher Knickstellen und verdrillter T-Stücke – die neuen, geflochtenen Textilstrippen überzeugen mit einer tadellosen Verarbeitung. Und auch die meisterhafte Gestaltung der 3 unterschiedlichen Holzsorten zu einem Gesamtkunstwerk des Treibergehäusebaus zeugt von großem handwerklichen Geschick und viel Liebe zum Detail. 

Die Kombination aus einer innenliegenden Ahornhülse, dem zentralen Hanfkern, sowie einem Außenring aus edlem Cocobolo führt nach Aussage des Herstellers zu optimalem Resonanzverhalten des Kopfhörers und zu einer nahezu perfekten akustischen Balance. 

Das mutmaßlich geniale Holzsandwich soll dem Ohrlautsprecher infolgedessen zu neuen klanglichen Höhenflügen im GRADO Universum verhelfen. Was im Hörtest natürlich erst noch zu verifizieren wäre.

Sorgfältig überarbeitete, dynamische X-Treiber der 4. Generation mit einem Membrandurchmesser von 50 mm, gewichtsoptimierte Schwingspulen und der leistungsfähigere magnetische Antrieb mit hoher Flußdichte bedingen dazu nicht nur eine gesteigerte Effizienz des GRADO Klassikers, sondern sollen ebenso die Reduzierung harmonischer Verzerrungen sicherstellen. 

Minimalausstattung

Auch der RS1X wird in der berühmten weissen Pappschachtel ausgeliefert, welche zwischenzeitlich über eine magnetische Arretierung verfügt. Die Ausstattung ist allerdings ebenso spärlich bemessen, wie es die Verpackung schon suggeriert. 

Neben dem in grauem Schaumstoff eingekleideten Kopfhörer findet sich noch ein aufsteckbarer Klinkenadapter auf 6,3 mm für die beidseitig geführte Kabelzuleitung im „Paket“, sowie eine kurze schriftliche Einführung in die legendäre GRADO-Story in englischer Sprache. Und fertig.

Die obligatorische Garantiekarte wird im Übrigen auf den Boden der Kartonage aufgedruckt und kann im Schadensfall zusammen mit dem Kopfhörer einfach wieder an den Hersteller retourniert werden – dies spart selbstverständlich Material, Zeit und Geld. Amerikanischer Minimalismus as it’s best.

Mobiler Einsatz

Mit einem Eigengewicht von lediglich 190 Gramm, der geringen Impedanz von 38 Ohm sowie einem relativ hohen Wirkungsgrad von 100 dB/mW empfiehlt sich der GRADO RS1X insbesondere für den mobilen Einsatz. Da der kleine Ohrlautsprecher unterwegs auch optisch nicht sonderlich aufträgt, liegt allein der mittelmäßige Tragekomfort mitunter im Auge des Betrachters. 

Denn während der GRADO ob meiner relativ großen Ohren nach geraumer Zeit einer neuen Ausrichtung auf dem Kopf bedarf, verharrt der amerikanische Holzhörer auf dem werten Haupt meiner lieben Gemahlin beispielsweise regungslos über mehrere Stunden auf derselben Stelle. Der RS1X mag wohl kleinere Lauscher. Zumal auch der Anpressdruck vom Hersteller moderat gewählt wurde. 

Glücklicherweise lässt sich der Kopfhörer über bedachtsame Biegeaktionen des lederbewehrten Federstahlbügels recht problemlos an veritable Quadratschädel wie den Meinigen anpassen. Und dann passt’s auch mit einem langzeittauglichen Tragekomfort für Papa Bär.

Aufgrund der leichtgewichtigen Bauweise steht einem luftigen Hörvergnügen im heimischen Garten somit nichts mehr entgegen.

Vorbereitung

Der GRADO RS1X wird im Zusammenspiel mit dem LOTOO PAW GOLD TOUCH im folgenden Hörtest natürlich erst noch beweisen müssen, dass der wohl bekannteste Ohrlautsprecher im GRADO-Sortiment seinem Nimbus nicht nur vollumfänglich gerecht zu werden vermag, sondern auch den Urahn RS1 in die musikalischen Schranken verweisen sollte.

Aufgrund der fest verlöteten Serienverkabelung steht zwar lediglich der unsymmetrische 3,5 mm Klinkenausgang des LOTOO zur Verfügung, allerdings verfügt der chinesische Referenzplayer über annähernd identische Leistungswerte wie in der symmetrischen Betriebsart. 

Als musikalisches Quellmaterial dienen mir wie schon so oft die üblichen Verdächtigen aus Pop, Rock, Blues, Klassik und Jazz, gespeichert vorwiegend als FLAC- und DSD-Dateien in hoher Auflösung. Weitere Informationen zum GRADO RS1X erhaltet ihr im Übrigen auf den Seiten des Herstellers unter: gradolabs.com oder aber auch direkt beim deutschen Vertrieb HI-FIDELITY STUDIO auf: high-fidelity-studio.de

Klangtest  

Zunächst einmal absolviert der GRADO RS1X die vom Hersteller empfohlene Einspielzeit von 120 Stunden in unserer heimischen Abstellkammer, um den amerikanischen Ohrlautsprecher auf seinen audiophilen Einsatz vorzubereiten. 

Erfahrungsgemäß nimmt diese akustische Vorkonditionierung einen nicht unerheblichen Einfluss auf das klangliche Endergebnis, obgleich es sich beim amerikanischen Leichtgewicht im Prinzip um relativ „anspruchslose“ dynamische Treibereinheiten handelt. Dennoch zählt der Einspielvorgang aus meiner Sicht zum unabdingbaren Pflichtprogramm.

Und bereits die allerersten Hörminuten deuten auf ein durchaus erstaunliches musikalisches Potential des neuen On-Ear-Kopfhörers aus dem Stadtteil Brooklyn hin. 

Dabei folgt der RS1X keineswegs der neuen klanglichen Ausrichtung der New Yorker Manufaktur – wie beispielsweise das GRADO HEMP HEADPHONE – sondern besinnt sich vielmehr auf altbekannte klangliche Tugenden und widmet sich mit Hingabe dem mittleren Frequenzspektrum. Insbesondere Stimmen und Instrumente werden in wunderbarer Klangfarbenpracht gemalt und luftig-transparent in den jeweiligen Raum platziert. 

Die Separation der musikalischen Ereignisse gelingt dem GRADO dazu vortrefflich, die Detailauflösung ebenso. Und selbst an einem mobilen Wiedergabegerät wie dem PAW GOLD TOUCH beherrscht der RS1X das feindynamische Spiel in Bezug auf minimale Pegelunterschiede wie kaum ein anderer Kopfhörer in dieser Preisklasse.

Der Bass des neuen GRADO ist dagegen von eher sehnig-knochiger Natur und auch dem untersten Frequenzkeller mißt der amerikanische Ohrlautsprecher keine allzu große Aufmerksamkeit bei. Die X-Version des Klassikers konzentriert sich lieber auf blitzschnelle Transienten und auf eine spontane Ansprache im Midbass. 

Das HEMP HEADPHONE beeindruckt vergleichsweise mit etwas mehr Volumen im Bassbereich, agiert aber infolgedessen auch weniger präzise. Während der Hanfkopfhörer der Amerikaner beispielsweise dazu neigt, schnell aufeinanderfolgende Bassimpulse minimal aufzuweichen, setzt der RS1X selbige energisch und gleichsam scharf gerändert um.

Aufgrund der gertenschlanken Reproduktion der tiefen Töne wartet der Kopfhörer allerdings auch mit einer ausgezeichneten Durchhörbarkeit im Grundtonbereich auf, fernab jedweder Überlagerungen. 

Würdiger Nachfolger

Der neue RS1X erlaubt dadurch einen bemerkenswert großzügigen Einblick in die Tiefe des akustischen Geschehens – das räumliche Darstellungsvermögen ist insbesondere für einen Kopfhörer der 1.000 Euro Klasse ganz ausgezeichnet. 

Hinsichtlich der Bühnenabbildung zollt der GRADO dagegen Tribut an seine kompakte Bauform – die Basisbreite gerät über die Over-Ear-Modelle der Amerikaner – beispielsweise über den GRADO GS3000E – durchweg weitläufiger. Dennoch gibt es in dieser klanglichen Disziplin im Grunde genommen wenig zu bekritteln, zumal der neue GRADO natürlich auch seine exzellente Mobiltauglichkeit mit in die imaginäre Waagschale wirft. 

Dazu stellt der kompakte Ohrlautsprecher den chinesischen Spielpartner auch vor keinerlei Probleme hinsichtlich der Leistungsanforderungen. Selbst ein handelsübliches Smartphone in Kombination mit einem kleinen USB-Dongle wie dem QUESTYLE M12 treibt den RS1X mühelos zu dynamischen Höchstleistungen. Denn GRADO Kopfhörer skalieren meiner Erfahrung nach in einem erheblich geringerem Maße mit stationären Quellen als das unmittelbare Marktumfeld.

Im Hochton knüpft der RS1X wiederum nahtlos an die hervorragenden Leistungen im Mitteltonbereich an und überzeugt mit einer sibilantenfreien und stressfreien Wiedergabe. Wo das Urmodell mitunter zu einem leichten Zischeln neigt, bewahrt die X-Version jederzeit die Contenance und akzeptiert zudem auch klaglos datenreduzierte musikalische Kost. 

Überhaupt wirkt der ältere RS1 in der direkten Gegenüberstellung ein wenig spröde im Umgang mit den klanglichen Pretiosen. Dem Newcomer gelingt hingegen das akustische Kunststück, die akkurate Detailarbeit im Mittelton problemlos zu forcieren und gleichermaßen den musikalischen Fluß zu bewahren. Infolgedessen schlägt der neue RS1X den Altmeister meines Erachtens relativ deutlich und präsentiert sich zweifelsohne als ein würdiger Nachfolger. 

Und auch das HEMP HEADPHONE muss die neue akustische Perle im GRADO-Sortiment schlußendlich ziehen lassen. Der Star der 500 Euro-Klasse pflegt zwar gleichermaßen eine lässige und dennoch gepflegte musikalische Gangart, verfügt aber in letzter Konsequenz nicht über die klangliche Raffinesse des RS1X und speziell dessen holographische Abbildungsschärfe in die Tiefe.

Mein Fazit

Der GRADO RS1X zählt für mich ohne jeden Zweifel zu den besten Angeboten im Sortiment des amerikanischen Herstellers – in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis würde ich dem kleinen Ohrlautsprecher aus New York sogar die derzeitige Spitzenposition attestieren. 

Der RS1X markiert aus meiner Sicht dazu nicht nur einen mehr als würdigen Nachfolger des ursprünglichen RS1, sondern begeistert in der 1.000 Euro Klasse auch klanglich auf ganzer Linie. Handwerkliches Können und eine musikalisch überzeugende Leistung resultieren somit in einem veritablen Gesamtkunstwerk.

Der neue Ohrlautsprecher aus Brooklyn umschmeichelt den Gralsritter der feinen Töne zudem mit wunderbaren Klangfarben – vielleicht nicht immer völlig frei von Verfärbungen, aber immer mit sehr viel Engagement für das Wesentliche der Musik. Das Wecken von Emotionen.    

Wer einen audiophilen Kopfhörer mit leicht anachronistischem Ansatz für daheim wie unterwegs sucht und auf eine geschlossene Behausung gegebenenfalls verzichten kann, sollte den GRADO RS1X auf jeden Fall einer näheren akustischen Begutachtung unterziehen. Es wird sich sicherlich lohnen. Versprochen.

Meine Wertung

Klangqualität (60%) : 4 von 5 Ohren
Tragekomfort (20%) : 4 von 5 Ohren
Verarbeitung (20%) : 4 von 5 Ohren

(*) Die Testberichte auf Musicalhead geben ausschließlich meine persönliche Meinung zum Produkt wieder. Es handelt sich hierbei um redaktionelle Beiträge, welche aber durchaus eine werbende Wirkung beim Leser erzielen könnten, ohne dass ich von einem Unternehmen damit beauftragt wurde.


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