Grado Hemp Headphone

Test GRADO HEMP HEADPHONE

Was? Schon wieder ein Testbericht zu einem GRADO Kopfhörer? Nun ja, ich mache schließlich keinen Hehl daraus, dass mir die Ohrlautsprecher der kleinen Manufaktur aus Brooklyn über die letzten Jahre sukzessive ans Herz gewachsen sind. Und das neue und natürlich wieder limitierte HEMP HEADPHONE der Amerikaner macht da selbstverständlich keine Ausnahme.

Denn GRADO Kopfhörer verkörpern auf sympathische Art und Weise traditionelle handwerkliche Werte und transportieren den Spirit der guten alten Zeit schon rein optisch perfekt in die Gegenwart. Dazu folgen die Produkte auch nicht dem klangtechnischen Mainstream, sondern begeistern Fans in aller Welt seit vielen Jahren mit der hauseigenen Philosophie einer emotionsgeladenen musikalischen Wiedergabe.

Es spielen aber nicht nicht nur rein klangliche Aspekte eine zentrale Rolle für diese Rezension, sondern vielmehr auch das aus meiner Sicht innovative Materialkonzept der neuen akustischen Pretiose aus New York – denn GRADO LABS nutzt erstmalig hoch verdichtete Hanffasern als Naturwerkstoff für die Treibergehäuse und kombiniert Erstgenannte mit langjährig bewährtem Ahornholz. 

Das speziell bearbeitete Hanf erzielt dabei eine dämpfende Wirkung zwischen den einzelnen Fasern, welches so eine besonders plastische und organische Wiedergabe der Musik ermöglichen soll. Von dieser avantgardistischen Maßnahme profitiert nach Aussage des Herstellers nicht nur die Basswiedergabe, auch im Mittel- und Hochtonbereich sorgt die vorgeblich kongeniale Hanf-Ahorn-Verbindung für neue klangliche Höhenflüge des HEMP HEADPHONE. 

Neben einer äußerst gelungenen optischen Aufbereitung der Treibergehäuse und sympathisch anmutenden Holzinlays mit Darstellung einer kleinen Hanfpflanze, überzeugt der GRADO aber ebenso durch sein geringes Gewicht von nur 250 Gramm, was den Ohrlautsprecher für ausgiebige Hörsessions geradezu prädestinieren dürfte. Und was im nachfolgenden Klangtest natürlich noch zu verifizieren wäre.

Bedanken möchte ich mich außerdem beim deutschen GRADO Vertrieb HIGH-FIDELITY-STUDIO in Augsburg im Allgemeinen und bei Marketing- und Vertriebsleiter Frank Schick im Besonderen, der für die freundliche und zeitnahe Bereitstellung meines aktuellen Testexemplars maßgeblich verantwortlich zeichnet.

Verpackung & Ausstattung

Dieses Kapitel läßt sich mit wenigen Worten recht zügig wieder schließen. Denn auch der aktuelle Ohrlautsprecher aus der Limited-Edition Serie wird in der seit Generationen verwendeten und für GRADO-typischen Pizzaschachtel ausgeliefert, wobei die Amerikaner wohl aus Kostengründen auf die neue magnetische Arretierung der größeren Kartonagen verzichtet haben. 

Sei’s drum – der schneeweiße Karton landet nach dem Auspacken sowieso in unserer zwischenzeitlich überfüllten Abstellkammer. Der Kopfhörer nebst fest verlöteten Kabeln in 1.50 Meter Länge findet ausreichend Platz in seiner mit weichem Schaumstoff ausgekleideten Behausung, wobei die New Yorker Manufaktur auch beim HEMP HEADPHONE mit üppigem Zubehörangebot geizt.

Denn der 8-adrigen Kabelverbindung aus hochreinem Kupfer und 3.5 mm Klinkenbuchse ist lediglich ein Standardadapter auf 6.3 mm beigelegt – und das war’s dann auch schon in Sachen Ausstattung. Die obligatorische Garantiekarte ist zudem in der üblich pragmatischen Manier einfach auf dem Boden der Kartonage aufgedruckt – Minimalismus in Reinkultur eben. 

Halt, fast hätte ich doch glatt noch den herzlichen Willkommensgruß in englischer Sprache mit dem Hinweis auf die 65-jährige Familientradition im altehrwürdigen Stadtteil Brooklyn vergessen. Was soll ich sagen –  Ehre wem Ehre gebührt.

Verarbeitung & Tragekomfort

Das vollständig von Hand gefertigte HEMP HEADPHONE ist grundsätzlich sehr gut verarbeitet, obgleich selbstverständlich nicht die Maßstäbe einer industriell-maschinellen Fertigung angelegt werden sollten. 

Während der GRADO bei einzelnen Baugruppen, wie beispielsweise der exquisiten Verarbeitungsqualität der Holzgehäuse, zweifelsohne haptische und optische Glanzlichter setzen kann, mutet speziell das antiquierte Kopfhörerkabel tatsächlich wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten an. 

Warum zur Hölle muss die leichtgewichtige Konstruktion des Ohrlautsprechers mit einem derart schweren Kabelwerk konterkariert werden? Und wieso wird ein nachträglicher Austausch der Serienstrippen durch fest angelötete Verbindungen nach wie vor unnötig erschwert? Hier sollte GRADO aus meiner Sicht die Zeichen der Zeit richtig deuten und endlich die hauseigene Kabelstrategie überdenken. 

Und auch hinsichtlich des Tragekomfort besteht durchaus noch Verbesserungspotential. Insbesondere die neuen F-Cushion Ohrpolster, welche unmittelbar auf den Ohren aufliegen, bieten aus meiner Sicht zwar zweifelsohne klangliche Vorteile gegenüber den üblichen Schaumstoffpolstern in L-Cushion-Ausführung, üben aber im Gegenzug subtilen Druck auf die äußere Ohrmuschel aus. 

Diesbezügliche Abhilfe schafft die Möglichkeit, das lederbewehrte Kopfband des GRADO leicht aufbiegen zu können und so das Druckgefühl auf die Ohren etwas zu verringern. Das nur mäßig gepolsterte Band aus Federstahl selbst verhält sich dagegen unauffällig auf dem Kopf des Gralsritters, zumal das leichtgewichtige HEMP HEADPHONE gefühlt bereits nach kurzer Zeit auf Selbigem verschwindet. 

Der Verstellmechanismus des kleinen Ohrlautsprechers über 2 stählerne Schiebestangen hat sich in der langjährigen Praxis dagegen ebenso bewährt, wie die eng anliegenden und über 2 Stahlstifte befestigten Treibergabeln aus schnödem Kunststoff. 

Dieser grundsätzlich sehr simple und zudem kostengünstige Aufbau ist aber nicht nur effizient in der täglichen Anwendung, sondern auch langlebig in der dauerhaften Nutzung. Nahezu alle Bauteile können problemlos nachbestellt und im Bedarfsfalle auch nach vielen Jahren noch ausgetauscht werden.

Technik

Auch beim neuen HEMP HEADPHONE verbaut GRADO LABS die berühmten Signature-Treiber, welche mit einer Kanalgleichheit von erstaunlichen 0.05 dB handselektiert werden. Lediglich der Durchmesser der massearmen, dynamischen Kunststoffmembranen unterscheidet sich mit einem Durchmesser von 44 mm von den etwas größeren Modellen (50 mm).

Die Treibergehäuse aus gepresstem Hanf werden im optisch verdeckten Bereich unterhalb der Ohrpolsterumrandung mit dem Ahornholz bündig verklebt, um die akustischen Eigenschaften beider Materialien optimal zu nutzen und nach eigener Aussage ein klanglich perfektes Gleichgewicht zu gewährleisten.  

Der Wirkungsgrad des offenen Kopfhörers liegt mit einer Empfindlichkeit von 98 dB/mW im Übrigen erwartungsgemäß hoch und eine Impedanz von 38 Ohm dürfte auch mobile Spielpartner leistungstechnisch vor keine größeren Probleme stellen.

Vorbereitung

Aus diesem Grunde fällt mir die Auswahl der entsprechenden Kandidaten leicht. Zum einen kommt der neue HIBY R8 als Vertreter der mobilen Fraktion erstmalig zu seinem klanglichen Einsatz auf Musicalhead, zum anderen erhält auch der FELIKS AUDIO EUFORIA 20th Anniversary Edition im stationären Setup ausreichend Spielzeit am limitierten Ohrlautsprecher der New Yorker Manufaktur.

In beiden Fällen wird der GRADO dabei natürlich unsymmetrisch über seinen Klinkenstecker betrieben. Als Zuspieler für den polnischen Röhrenverstärker fungiert der MYTEK BROOKLYN DAC+, welcher die digitale musikalische Kost über meinen Software-optimierten iMAC bezieht. Eine adäquate Verkabelung der einzelnen Komponenten wird über hochwertige EPIC-Strippen der britischen Marke CHORD bereitgestellt. 

Das Testmaterial setzt sich zusammen aus den mir bestens bekannten musikalischen Hörbeispielen aus den Bereichen Klassik, Jazz, Blues, Rock und Pop, selbstverständlich in High Resolution. Weitere Informationen zum GRADO HEMP HEADPHONE erhaltet ihr außerdem auf der Homepage des Herstellers unter: Gradolabs.com oder auch auf den Seiten des deutschen Vertriebes unter: High-Fidelity-Studio.de

Klangtest

Obgleich die Kopfhörer der Marke GRADO grundsätzlich über nahezu identische Treibereinheiten verfügen, weisen die oftmals holzbewehrten Ohrlautsprecher dennoch mitunter recht unterschiedliche klangliche Signaturen auf. 

Dies ist insbesondere den hinlänglich bekannten Kombinationen mit den verschiedensten Werkstoffen hinsichtlich der zumeist hölzernen Treibergehäuse geschuldet, welche von der amerikanischen Manufaktur bereits seit mehreren Generationen mit kontinuierlichem Erfolg einsetzt werden. Und auch die einfachen gestrickten Ohrpolster nehmen signifikanten akustischen Einfluß auf das musikalische Endergebnis. 

Das neue HEMP HEADPHONE ist hierfür geradezu ein Paradebeispiel. Die neuen F-Polster rücken das klangliche Geschehen nämlich deutlich näher ans Ohr als die üblichen L-Versionen, weshalb der Kopfhörer mit einer bemerkenswert hohen klanglichen Dichte aufwartet.  

Und auch die gewählte Verbindung aus verpressten Hanffasern und Instrumenten-bewährtem Ahornholz unterstreicht die prinzipielle Ausrichtung der New Yorker Entwicklungsmannschaft, erneut einen Ohrlautsprecher zu kreieren, welcher sowohl der langjährigen Firmenphilosophie treu bleibt als auch klanglich befähigt ist, ein jederzeit hochemotionales Hörerlebnis zu vermitteln.

Der somit willentlich dämpfende Hanf ermöglicht es dem dynamischen Bass des HEMP HEADPHONE, bereits in der mobilen Konfiguration am HIBY R8 mit genügend Druck und Volumen zu agieren, ohne dabei an Präzision und Tempo einzubüßen. Durch den praktisch nicht existenten Raum zwischen Treibermembran und Ohr wird außerdem die Neigung zu unerwünschten Resonanzen erfolgreich unterbunden.

Der substanzielle Grundton des GRADO dient überdies als exzellente Basis für eine außerordentlich plastisch und natürlich wirkende Reproduktion von Stimmen und Instrumenten in den klangrelevanten Mitten. Und auch hier überzeugt das HEMP HEADPHONE mit schnellen Transienten und einem ausgezeichneten musikalischen Fluß. 

Transparenz und Räumlichkeit liegen für diese Preisklasse auf beeindruckend hohem Niveau, obgleich die anderen Kopfhörer der Marke diesbezüglich noch etwas mehr zu glänzen wissen. Das HEMP HEADPHONE konzentriert sich vielmehr auf eine sehr euphonische Präsentation und vermittelt gerade deshalb unglaublich viel Spass an der Musik. 

Diese äußerst direkte und involvierende Spielart bei einer zugleich vorzüglichen Dynamik ist selbst im GRADO-Lager aus meiner Sicht unerreicht. Zumal sich auch der Hochtonbereich zu keiner Zeit ungebührlich in den Vordergrund drängt, sondern trotz der unmittelbaren Anbindung ans Ohr durch entspannte Sibilanten bei gleichwohl feiner Detailauflösung gefällt.

Diese engagierte Vorstellung des kleinen Ohrlautsprechers aus Brooklyn lässt sich allerdings noch steigern. Denn erst im kongruenten Zusammenspiel mit dem FELIKS EUFORIA 20th Anniversary Edition zeigt das HEMP HEADPHONE sein großartiges musikalisches Potential auf. 

Speziell die Durchhörbarkeit in komplexeren Passagen profitiert dabei von den überragenden klanglichen Fähigkeiten des polnischen Röhrenverstärkers. Und auch die räumlichen Grenzen des GRADO werden deutlich weiter gesteckt. Der Kopfhörer fokussiert einzelne Ereignisse dazu mit messerscharfer Kontur und überzeugt zudem mit einer sehr luftig anmutenden Wiedergabe.

Allein die Art und Weise, wie das HEMP HEADPHONE Stimmen und akustische Instrumente im Zusammenspiel mit der FELIKS AUDIO Röhre sehr gefühlvoll intoniert, verleitet mich zu stundenlangen Hörsessions bis tief in die Nacht. Denn dieser kleine Hanf-Ohrlautsprecher trifft den Gralsritter der feinen Töne mitten ins Herz. Garantiert.

Mein Fazit

Das limitierte HEMP HEADPHONE ist für Sammler und Klangfetischisten gleichermaßen ein bezahlbarer Traum. Die einzigartige Kombination der Werkstoffe Hanf und Holz erweist sich im Hörtest als eine äußerst gelungene Lösung, nicht nur in diesem Preissegment und verleiht dem neuen GRADO Kopfhörer klanglich Flügel.

Einzig der eingeschränkte Tragekomfort des Ohrlautsprechers aus Brooklyn markiert einen kleinen Wermutstropfen. Aber dieses geringfügige Manko hat das HEMP HEADPHONE natürlich mit anderen GRADO-Modellen gemein. Echte Fans der Marke sehen darüber allerdings genauso hinweg, wie über die leicht rustikale Verarbeitung. 

Die monetäre Gestaltung ist meines Erachtens dagegen mehr als fair bemessen. Ganze 499,- Euro werden für den neuen On-Ear-Kopfhörer vom deutschen Vertrieb aufgerufen, was eine Kaufempfehlung infolgedessen recht einfach macht. 

Denn das HEMP HEADPHONE gehört aus meiner Sicht nicht nur unbedingt in jede Sammlung eines ambitionierten GRADO-Liebhabers, sondern wärmt darüber hinaus auch das Herz des audiophil angehauchten Gralsritters in kalten Monaten mit seiner überwältigenden Musikalität.  

Euer Fidelio

Meine Wertung

Klangqualität (60%) : 4 von 5 Ohren
Tragekomfort (20%) : 3 von 5 Ohren
Verarbeitung (20%) : 3 von 5 Ohren

Musicalhead TOP 10
(*) Die Testberichte auf Musicalhead geben ausschließlich meine persönliche Meinung zum Produkt wieder. Es handelt sich hierbei um redaktionelle Beiträge, welche aber durchaus eine werbende Wirkung beim Leser erzielen könnten, ohne dass ich von einem Unternehmen damit beauftragt wurde.


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COMMENTS5

  1. Hallo Wolfgang,
    du charakterisierst den Hemp als „direkt und involvierend“. Kannst du einen Vergleich zum SR325e ziehen, den ich als extrem anspringend und involvierend erlebt habe?

    In der Tat nervt das mit den fixen Kabel. Die erste Maßnahme bei meinen Grados ist immer: Stecker abknipsen und 4-pol. XLR von Neutrik anlöten.

    Beste Grüße
    Michael

    • Hallo Michael,
      stimmt, der 325e ist bereits ein sehr direkt aufspielender KH, allerdings vermittelt das HEMP HEADPHONE eine noch dichtere Atmosphäre. Es spielt zudem leicht dunkler und plastischer auf als der 325e, auch verbunden mit einem etwas kräftigeren Bassbereich. Im direkten Vergleich zum 325e verfügt das HEMP HEADPHONE aus meiner Sicht über die geringfügig schöneren Klangfarben – der 325 agiert hinsichtlich der allgemeinen Tonalität allerdings etwas neutraler.
      Ich hoffe, ich konnte deine Frage beantworten.
      Lieben Gruß
      Wolfgang

  2. Hallo Wolfgang,
    Kannst Du unter Technik im 2. Satz den Treiberdurchmesser von 40 auf 44 mm (nachgemessen!) korrigieren?
    Es gab bei den Jungs aus Brooklyn immer nur diese 2 Treibergrössen, wenn sie auch unterschiedlich abgeschmeckt sind, aber man muss immer wieder das Lineal rausholen, und ein Polster lösen, weil jemand etwas von 40 mm las. Wie üblich beschreibt Dein Review punktgenau das, was ein (werdender) Grado-Fan zu hören bekommt. Nebst den charakteristischen Schrullen, die auf einen zukommen.

    • Hallo Alf,
      danke für den Hinweis. Habe ich bereits korrigiert… 😉
      Lieben Gruß
      Wolfgang

  3. Ich bin schon sehr gespannt auf Deine Beschreibung(en?) der 4. Gradohörer Generation.
    Gruss, Alf


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