Focal Utopia

Test FOCAL UTOPIA

Da bin ich wieder. Und heute teste ich für euch endlich den Spitzenkopfhörer des französischen Herstellers FOCAL – den UTOPIA.

Ich habe mir diesen Testbericht wahrlich nicht leicht gemacht. Schließlich ist der neue Kopfhörer der Franzosen gerade in den letzten Monaten zum Teil doch sehr kontrovers diskutiert worden. Und obwohl ich den FOCAL bereits im Vorfeld auf verschiedenen Präsentationen längere Zeit auch an anspruchsvoller Elektronik hören durfte, kann natürlich rein gar nichts eine ausgiebige Hörsession in den eigenen vier Wänden ersetzen.

Ich möchte mich deshalb an dieser Stelle bei MUSIC LINE, dem deutschen Vertrieb von FOCAL, für die Zusendung des UTOPIA ganz herzlich bedanken, welche diese Rezension erst möglich gemacht hat. Insbesondere bei Dalibor Beric, der unter anderem auch für die Pressearbeit verantwortlich zeichnet.

Und ja, ich habe dem UTOPIA reichlich gelauscht. Einige Tage und noch viel mehr Nächte. Und direkt mit seinen Kontrahenten verglichen. Und wieder gehört. Und verglichen. Mit verschiedenen Spielpartnern und dem unterschiedlichsten Musikmaterial. Meine Frau ist in dieser Zeit schier wahnsinnig geworden. Von wegen mangelhafter Konversation und so. Aber die Suche nach dem heiligen Gral geht selbstverständlich immer vor.

Ist der UTOPIA jetzt tatsächlich der beste Kopfhörer der Welt? Und lohnt sich ein Kauf zu diesem doch sehr ambitionierten Preis? Nun, diese Fragen lassen sich nicht ganz so einfach beantworten. Weil es nämlich sehr auf die persönlichen Präferenzen und zudem auf die Wahl der entsprechenden Kopfhörerverstärker ankommt. Aber dazu später natürlich mehr. Denn zunächst möchte ich dann doch meine übliche Reihenfolge einhalten. Und diese beginnt bekanntlich mit

Verpackung & Ausstattung

Der FOCAL UTOPIA wird in einer schwarzen Kartonage in Seidenglanzausführung mit einer leicht eingeprägten Produktbezeichnung geliefert. Über einen magnetischen Verschluss kann der Deckel einfach hochgeklappt werden und gibt so den direkten Blick auf den in samtweichem Schaumstoff eingebetteten Inhalt frei.

Dem Kopfhörer liegen als einzige Austattungs-Utensilien ein ca. 4 m langes und relativ schweres Anschlusskabel in einer schwarzen Gummierung sowie eine miniaturisierte Bedienungsanleitung bei. Der mechanische Kontakt zu den Hörmuscheln wird über hochwertige LEMO-Steckverbindungen hergestellt, der jeweilige Spielpartner des UTOPIA findet am anderen Ende des Kabels einen 6,3 mm Klinkenstecker von NEUTRIK vor.

Verarbeitung & Tragekomfort

Der FOCAL ist, seiner Preisklasse entsprechend, erstklassig verarbeitet. Man merkt hier ganz einfach, dass einer der größten Lautsprechermanufakturen der Welt am Werk war. Zumal die Franzosen alle Bauteile selbst herstellen und so eine sehr hohe Fertigungstiefe realisieren können.

Auch die Auswahl der verwendeten Materialien kann überzeugen. Die Treibergehäuse sind aus schwarzem und teils hochglanzlackiertem Kunststoff ausgeführt, die zugehörigen Halter aus edlem Sichtkarbon. Die Ohrpolster sowie das Kopfband sind mit weichem Lammleder bezogen und gefallen durch eine ebenso perfekte Verarbeitungsqualität wie einen gleichsam hohen Tragekomfort.

Der Anpressdruck der Ohrmuscheln passt zumindest für meinen Schädel ganz hervorragend, die Aussparungen für die Lauscher sind zudem ausreichend bemessen. Die Verstellung des Kopfbügels lässt sich über eine beidseitig saubere Rasterung sehr gut bewerkstelligen, lediglich die entsprechenden Einstellmarkierungen fehlen leider.

Das relativ hohe Gewicht des UTOPIA von 490 Gramm irritiert mich hingegen ein wenig, zumal bei der Materialauswahl offensichtlich Leichtbau exerziert wird. Durch die großflächige und gleichmäßige Auslegung der Kopfbügelkonstruktion fällt dies meines Erachtens aber nicht sonderlich ins Gewicht (kleines Wortspiel)

Technik

Der neue offene Over-Ear-Kopfhörer wartet mit innovativen Lösungen insbesondere in Bezug auf das eingesetzte Material der leicht angewinkelten dynamischen Treiber auf.

Die extrem leichten, weil aus verformungsresistentem Beryllium bestehenden Membranen mit 40 mm Durchmesser werden über besonders leistungfähige Neodym-Magneten mit einer Flussdichte von stolzen 1,15 Tesla angetrieben.

Die Membranen weisen außerdem ein neuartiges M-förmiges Profil auf, welches nach Aussage des Herstellers Phasenfehler minimieren soll. Die Beryllium-Membranen sind 25 μm, die sie umspannenden Sicken nur 80 μm dünn. Somit ergibt sich ein Systemgewicht aller bewegten Teile von lediglich 135 Milligramm. Dies verspricht vor allem eine sehr hohe Impulstreue für den bevorstehenden Hörtest.

Eine Impedanz von 80 Ohm prädestiniert den UTOPIA natürlich in erster Linie für den stationären Betrieb. Allerdings spielt der FOCAL auch ausgezeichnet mit etwas leistungsschwächeren DAP zusammen, wie sich später noch positiv herausstellen sollte.

Weitere Informationen zu den übrigen technischen Details zum UTOPIA findet ihr übrigens auch unter: http://www.music-line.biz/cms/Utopia.3061.0.html oder ihr bemüht wie üblich einfach die allwissenden Suchmaschinen.

Vorbereitung

Allein schon der Versuchsaufbau gestaltet sich für diesen Test dann doch wesentlich umfangreicher, als ich zunächst geplant habe. Allein die vorbereitenden Hörsessions nehmen ja, wie bereits erwähnt, letztendlich mehrere Tage und insbesondere Nächte in Anspruch.

Zumal ich den UTOPIA für meine Rezension natürlich mit einigen potentiellen dynamischen Mitbewerbern vergleichen möchte, um auch die entsprechenden Eingangsfragen klären zu können. Insbesondere an verschiedenen Spielpartnern, um auch unterschiedliche klangliche Präferenzen und Qualitäten der einzelnen KHV möglichst mit zu berücksichtigen. Also viel Arbeit steht an. Aber natürlich die der eher angenehmeren Sorte.

Als Signalquelle dient mir übrigens in allen Fällen der mit SSD-Festplatte bestückte AURALIC ARIES MINI, welcher seinen Strom über das LOW NOISE Netzteil desselben Herstellers bezieht. Als Musikmaterial dienen mir wie so oft die üblichen Verdächtigen aus Pop, Rock, Klassik und Jazz, sorgfältig gespeichert im FLAC-, AIFF- und DSD-Format.

Dabei habe ich grundsätzlich 3 verschiedene Kombinationen für meinen Hörtest ausgewählt. Aber natürlich werden die einzelnen Komponenten zwecks eines schnellen Quervergleiches gelegentlich dann doch gegeneinander ausgetauscht.

Ich teste den FOCAL UTOPIA zum einen gegen den SENNHEISER HD800S am QUESTYLE CMA800R. In diesem Fall verwende ich den implementierten DAC des ARIES MINI, welcher mit einem SABRE-ESS9016-Chipsatz ausgestattet ist, da der CMA800R über keinen eigenen Digital-Analog Wandler verfügt. Die Kontaktaufnahme erfolgt im Übrigen über eine NORDOST BLUE HEAVEN Chinch-Verbindung.

Zum anderen heißt der Gegner des FOCAL UTOPIA – AKG K812 PRO. Als Kampfrichter für diese klangliche Gegenüberstellung fungiert der BURSON CONDUCTOR VIRTUOSO V2. Der BURSON kann hierbei auf seine exzellente Digitalabteilung in Form eines SABRE-ESS9018S zurückgreifen. Diese erhält die musikalische Datenkost vom AURALIC über ein CARBON Coaxialkabel der Marke AUDIOQUEST.

Im finalen Vergleich trifft der FOCAL UTOPIA schließlich auf den HIFIMAN HE1000 V2. Auf dieses Gewitter bin ich wirklich sehr gespannt und freue mich auf eine spannende Hörsession. Der PATHOS INPOL EAR sollte dabei als adäquater Spielpartner sicherlich in der Lage sein, auch die allerletzten klanglichen Reserven der beiden Kontrahenten auszuloten. Die übermittelten Digitaldaten werden hierbei über das integrierte HI-EVO Board des PATHOS, gleichsam mit SABRE-ESS9018K2 Bestückung, gewandelt und an die Analogsektion des KHV weitergegeben. Als geeignete Kabelverbindung dient nun ein AUDIOQUEST COFFEE Coaxialkabel.

Schließlich möchte ich natürlich auch noch wissen, wie sich der FOCAL UTOPIA an einem mobilen Zuspieler schlägt. Und zu diesem Zweck geht der Kopfhörer eine äußerst synergetische Verbindung zum QUESTYLE QP1R bereits zu Beginn meines Hörtestes ein.

Klangtest

In der Regel teste ich die einzelnen Testprobanden in den ersten paar Tagen ohne einen direkten Bezug zu meinen übrigen Kopfhörern. Und dieser Tradition möchte ich natürlich auch im vorliegenden Falle nachkommen. Bei meinem aktuellen FOCAL UTOPIA handelt es sich übrigens um einen Pressekopfhörer, welcher bereits im Vorfeld penibel vom deutschen Vertrieb eingespielt wurde. Daher kann ich mir zumindest dieses Procedere im vorliegenden Falle glücklicherweise ersparen.

Ich schließe also, wie bereits erwähnt, den UTOPIA zunächst an den QUESTYLE QP1R an und staune nicht schlecht. Denn der FOCAL entfaltet schon an dem kleinen DAP eine erstaunliche Dynamik. Dies verwundert vor allem aufgrund der doch eher bescheidenen Leistungsreserven des QP1R von gerade einmal 40 mW/Kanal an 32 Ohm, angegeben im reinen Class-A Betrieb.

Dynamik. Dieses Wort wird uns im Testverlauf speziell in Verbindung mit dem UTOPIA im Übrigen noch etwas öfter begegnen. Denn der Kopfhörer zeichnet sich nicht nur am QP1R durch eine springlebendige Wiedergabe aus, er begeistert insbesondere auch an wesentlich kräftigeren Spielpartnern mit diesbezüglichem Steigerungspotential, wie sich im weiteren Verlauf noch herausstellen wird.

Bereits nach wenigen Hörminuten fällt mir außerdem die hervorragend ausbalancierte Tonalität des FOCAL auf. Dies bedeutet unter anderem, dass der Kopfhörer auch nahezu perfekt immer die richtige Tonhöhe trifft. Insbesondere Instrumente wirken so enorm natürlich und authentisch. In den ersten Stunden mit dieser „Minimallösung“ kommt bei mir somit zu keiner Zeit der Wunsch nach mehr (Leistung) auf, was grundsätzlich immer ein sehr gutes Zeichen ist. Für den Kopfhörer.

Aber selbstverständlich siegt am Ende dann doch die Neugier und es folgt der Beginn eines wahren Hörmarathons. Denn schließlich wollen wir ja alle wissen, wo denn genau der FOCAL UTOPIA in seinem direkten Mitbewerberumfeld einzuordnen ist.

Runde 1 – FOCAL UTOPIA vs. SENNHEISER HD800S

Der SENNHEISER HD800S wartet bereits in seiner Ecke und hat sich am QUESTYLE CMA800R schon warm gespielt. Also Ring frei zur ersten Runde.

Und obwohl der CMA800R vom chinesischen Hersteller perfekt auf den HD800 (S) adaptiert wurde, gewinne ich schon nach einigen Minuten den Eindruck, dass auch der UTOPIA klanglich ausgezeichnet mit dem QUESTYLE Kopfhörerverstärker harmoniert.

Abgrundtiefe Frequenzen sind allerdings weder die Sache des UTOPIA, noch die des HD800S. Zwar wird der Tiefbass bei beiden Kopfhörern ausreichend vernehmbar reproduziert, ohne aber in diesem Bereich wirklich mit Nachdruck aufzuspielen. Dies gelingt aber zweifellos eine Etage höher, denn der Midbass ist sowohl beim FOCAL als auch beim SENNHEISER sehr gut ausgeprägt. Und kaschieren so gekonnt die leichte Tiefbassschwäche. Wobei der Bass des UTOPIA hier noch etwas konturierter wirkt. Der obere Bassbereich wird von beiden Kontrahenten akkurat wiedergegeben, verbunden mit einer sehr guten Impulsantwort. Aber auch hier scheint der FOCAL ein minimal höheres Tempo anzuschlagen, auch verbunden mit der dynamischeren Attacke.

Der FOCAL UTOPIA besitzt außerdem einen leicht fülligeren und reichhaltigeren Grundton, dadurch bedingt wirkt der SENNHEISER in der direkten Gegenüberstellung minimal ausgedünnter. Dies verleiht den Stimmen und Instrumenten im Mitteltonbereich beim HD800S somit ein Quäntchen weniger Substanz, er spielt daher auch mit einem helleren Timbre im unmittelbaren Kontrast zum UTOPIA auf. Beide Kopfhörer glänzen aber durch insgesamt sehr natürlich wirkende Klangfarben mit einer in beiden Fällen jederzeit überzeugenden Plastizität.

Der Hochtonbereich wird von beiden Kopfhörern sehr gut aufgelöst und fein ziseliert reproduziert. Aber auch in diesen Frequenzgefilden erspielt sich der UTOPIA wiederum leichte Vorteile. Während der HD800S bei einigen Musikstücken dazu neigt, die Sibilanten mit minimaler Schärfe wiederzugeben, hält sich der UTOPIA hier dezent zurück und weist ihnen genau das richtige Maß an Artikulation zu. Die filigrane Detailarbeit des FOCAL ist dabei gleichzeitig schlicht herausragend. Der SENNHEISER kann bei der Nuancierung der subtilsten Feinheiten nicht ganz mithalten und verschleift dieselben im unmittelbaren Vergleich ein wenig.

Da der UTOPIA aufgrund der wesentlich höheren Leistungsreserven des CMA800R auch grob- und feindynamisch weiter zulegt, kann der HD800S auch in diesem Kriterium nicht punkten. Also somit ein klarer Kantersieg für den FOCAL UTOPIA?

Nun, das hängt wie eingangs erwähnt in erster Linie entscheidend davon ab, welche persönlichen Präferenzen gesetzt werden. Denn wir kommen nun zur wirklich einzigen Schwäche des FOCAL Kopfhörers. Nämlich der Fähigkeit zu einer glaubhaften räumlichen Abbildung. Und dies betrifft primär die Bühnendarstellung bezüglich der Staffelung in die Breite.

Während der SENNHEISER die musikalischen Ereignisse großräumig und exakt auch über die Treiberbegrenzungen hinaus auffächert, spielt sich das klangliche Geschehen beim UTOPIA weitgehend innerhalb der eigenen Kopfgrenzen ab. Dies erinnert zuweilen zwar tatsächlich an eine Wiedergabe über Lautsprecher. Zumal die räumliche Abbildungsfähigkeit in die Tiefe auf einem vergleichsweise akzeptablen Niveau liegt. Aber eben mit einer Positionierung nahezu unmittelbar vor den eigenen Ohren.

Dies kann zeitweilig etwas irritierend wirken. Durch die räumliche „Enge“ rücken beispielsweise die Musiker bei einem Konzert relativ dicht zusammen. Dadurch wird, insbesondere in komplexeren Passagen, die Zuordnung etwas erschwert, weil der UTOPIA zum Einen die Protagonisten sehr nah nach vorne rückt und zum Anderen die einzelnen Geschehnisse gleichsam erbarmungslos genau auflöst und temporär so mein Gehör leicht überfordert.

Um dies jetzt nicht falsch zu verstehen. Diese spezielle Eigenschaft des UTOPIA hat durchaus ihren Reiz und führt vielleicht auch gerade deshalb zu der charakteristischen, sehr involvierenden und livehaftigen Reproduktion von Musik. Ich würde den UTOPIA aber grundsätzlich eher den Liebhabern von Rock- oder Popmusik, beziehungsweise für Jazz- oder klassische Musik mit überschaubarer Besetzung empfehlen.

Dennoch gewinnt der SENNHEISER HD800S das Kapitel „räumliche Wiedergabe“ für mich mit mehr oder weniger klarem Abstand. Summiere ich allerdings nun alle einzelnen Bewertungskriterien zuvor auf, fährt der FOCAL Kopfhörer gleichwohl einen Sieg nach Punkten ein. Runde 1 geht somit an den UTOPIA.

Runde 2 – FOCAL UTOPIA vs. AKG K812 PRO

Der AKG 812 PRO lässt sich durch die Niederlage des HD800S natürlich keineswegs beeindrucken, sondern flirtet selbstbewusst bereits mit seinem üblichen Spielpartner, dem BURSON CONDUCTOR VIRTUOSO V2. Ring frei Runde 2.

Der AKG ist der filigranere Konterpart zum FOCAL und erinnert mich teilweise sogar an die elektrostatische Leichtigkeit eines STAX Kopfhörers. Der Bass besitzt eine überzeugende Expansion in die niedrigsten Frequenzen und besticht ebenso durch eine sehr gute Kontur. Er erreicht nicht ganz das Volumen beziehungsweise die Durchschlagskraft des UTOPIA, baut aber jederzeit genügend Druck im Bassbereich auf.

Der FOCAL punktet wieder einmal mit seiner explosiven Dynamik, der AKG K812 PRO steht selbiger am BURSON aber nur unwesentlich nach. Dies ist natürlich insbesondere dem hohen Leistungspotential des CONDUCTOR VIRTUOSO V2 geschuldet, welcher die dynamischen Reserven des K812 PRO fürwahr beflügelt. Dessen ungeachtet ergeben sich trotzdem leichte Vorteile für den Herausforderer.

Der Grundtonbereich ist, wenn überhaupt, eine der wenigen Schwächen des K812 PRO. Ganz ähnlich einem SR009 fehlt es für mich hier einfach an „Fleisch auf den Rippen“. Und bitte nicht vergessen. Wir reden hier über subtile Unterschiede zwischen Spitzenkopfhörern. Klammer zu. Trotzdem kann der UTOPIA dieses Kapitel relativ deutlich für sich verbuchen.

Auch im Mitteltonbereich zeigen sich beim K812 PRO einige Gemeinsamkeiten zu der elektrostatischen Fraktion. Der AKG glänzt mit einer fantastischen Durchhörbarkeit und einer sehr feinfühligen Abstufung bezüglich der tatsächlich vorhandenen Lautstärken, agiert allerdings zeitweilig auch nah an der Grenze zur Analytik. Der UTOPIA wirkt hier minimal souveräner, vielleicht eine Nuance weniger transparent, dafür aber verbunden mit der etwas höheren Plastizität. Allerdings fällt mir gerade in diesem direkten Vergleich auf, dass der K812 PRO die besagten Laut-Leise-Passagen noch sensibler modelliert.

Der AKG K812 PRO agiert im Hochtonbereich in Kombination mit dem BURSON CONDUCTOR VITUOSO V2 fast schon als akustische Lupe. Jedes noch so feine Detail wird akribisch aufgespürt, seziert und bei manchen Aufnahmen fast schon gnadenlos zu Gehör gebracht. Hierbei übertrifft der K812 PRO meines Erachtens sogar noch leicht das Auflösungsvermögen des UTOPIA. Die Frage ist halt nur, ob dies auch tatsächlich jederzeit gewünscht wird. Denn durch diese klangtechnische Eigenschaft des AKG geht je nach verwendetem Musikmaterial die Kohärenz in der Wiedergabe etwas verloren. Nicht umsonst wird gerade der Kopfhörer der Österreicher sehr gerne mit Röhren KHV kombiniert, um den K812 PRO in Folge besser auszubalancieren.

Da der K812 PRO dadurch bedingt in einem noch erheblicheren Maße als der HD800S gelegentlich zur Schärfe neigt, hinterlässt der FOCAL UTOPIA auch im Hochtonbereich den vergleichsweise etwas stärkeren Eindruck. Auch dynamisch lässt der UTOPIA, wie bereits erwähnt, gegenüber dem AKG nichts anbrennen und kann sich am CONDUCTOR VIRTUOSO V2 im Gegensatz zum CMA800R nochmals leicht steigern. Es fällt aber bereits an dieser Stelle auf, dass der UTOPIA in einem wesentlich geringeren Maße mit höherwertigen Spielpartnern skaliert, als ich dies im Vorfeld erwartet habe.

Im Kriterium Räumlichkeit spielt der AKG K812 PRO schließlich seine größte Stärke gegenüber dem UTOPIA aus. Zumal auch der BURSON dem QUESTYLE in dieser Disziplin klar die Rücklichter zeigt.

Gegen diese überragende Transparenz und Luftigkeit, wiederum den Elektrostaten von STAX nicht ganz unähnlich, verbunden mit der überaus realistischen Breiten- und Tiefenstaffelung sieht der FOCAL kein Land. Allerdings auch kein anderer mir bekannter dynamischer Kopfhörer.

Aber abgerechnet wird bekanntlich zum Schluss. Und die herausragenden räumlichen Fähigkeiten des K812 PRO allein reichen eben nicht aus, um den UTOPIA in die Schranken zu weisen. Somit ein weiterer Punktsieg für den FOCAL. Es steht zwischenzeitlich also 2:0 für den UTOPIA.

Runde 3 – FOCAL UTOPIA vs. HIFIMAN HE1000 V2

Der HIFIMAN HE1000 V2 hat sich die ersten beiden Runden sehr genau angeschaut. Und bleibt dennoch gelassen. Denn er ist sich seiner Qualitäten sehr wohl bewusst und schaut der Herausforderung somit entspannt entgegen. Zumal er ja genau weiß, dass er bei diesem Zusammentreffen wirklich alles aus sich herausholen kann. Dies ist in allererster Linie natürlich auch dem PATHOS zu verdanken, welcher den HE1000 V2 klanglich nahezu gänzlich ausreizt. Los geht’s also in Runde 3.

Gerade der HE1000 V2 skaliert in einem überdurchschnittlichen Maße mit dem jeweiligen Spielpartner und ist auf eine sorgfältige Auswahl desselben zwingend angewiesen. Der wesensgleiche PATHOS Kopfhörerverstärker ist ein hochmusikalischer Vertreter seiner Zunft und agiert auf absolutem Weltklasseniveau. Die Italiener kombinieren mit ihrer patentierten Inpol-Technik den wunderbar farbenstarken Röhrenklang mit der schier unbändigen Kraft der MosFets. Ein Verstärker, in den man sich bereits nach wenigen Hörminuten direkt verliebt. Egal an welchem dynamischen oder magnetostatischen Kopfhörer. Versprochen.

Der INPOL EAR legt somit alle musikalischen- sowie klanglichen Fähigkeiten des HIFIMAN vollständig offen. Der Fairness halber betreibe ich selbstverständlich beide Kontrahenten an der implementierten 6,3 mm Klinkenbuchse des PATHOS, da mir der deutsche Vertrieb MUSIC LINE den FOCAL UTOPIA ja leider nur mit einem unsymmetrischen Anschlusskabel geliefert hat.

An der Klinke leistet der voll symmetrisch aufgebaute INPOL EAR „nur“ 2 x 3.000 mW an 32 Ohm (2 x 10.000 mW an 32 Ohm über XLR!) Aufgrund der extrem niedrigen Ausgangsimpedanz von lediglich 0,45 Ohm (!) ist dies allerdings verbunden mit einem herausragenden elektrischen Dämpfungsfaktor. Dies garantiert eine äußerst exakte Kontrolle der Membranbewegungen, was speziell beim HE1000 V2 von enormer Bedeutung ist.

Wir beginnen natürlich wieder im Frequenzkeller. Und in diesen tiefsten Gefilden kann der FOCAL UTOPIA gegen den großen HIFIMAN nichts ausrichten. Membranfläche ist in diesem Falle halt durch nichts zu ersetzen. Insbesondere wenn selbige einer straffen Beaufsichtigung des Verstärkers unterworfen ist. Der UTOPIA kann dies über den Membranhub auch keinesfalls ausgleichen, zumal seine Treiber eben nur einen Durchmesser von 40 mm aufweisen. Der HE1000 V2 verhilft so beispielsweise einer großen Orgel zu realistischer Größe, während der UTOPIA die letzte Oktave gelegentlich auszulassen scheint.

Im Midbass kann sich keiner der Kontrahenten einen wirklichen Vorteil verschaffen. Beide Kopfhörer spielen auf dem nahezu selben hohen Niveau und überzeugen mit viel Druck und Kontur. Aber auch im oberen Bassbereich kann sich der UTOPIA in diesem Falle nicht vom HE1000 V2 absetzen. Der HIFIMAN agiert hier ebenso dynamisch und explosiv wie der FOCAL und überzeugt ebenso mit der gleichen, herausragenden Impulsantwort.

Und diese Pattsituation setzt sich auch im Grundtonbereich fort. HIFIMAN hat in seiner V2 Version glücklicherweise auf die etwas fülligere Abstimmung des Vorgängers verzichtet. Körperreich aber dennoch ausgewogen, mit einem angenehm warmen Timbre begeistern beide Kopfhörer gleichermaßen am PATHOS INPOL EAR. Grandios.

Der Mitteltonbereich ist die Paradedisziplin sowohl vom UTOPIA als auch vom HE1000 V2. Durchhörbarkeit, Klangfarbenreichtum, Plastizität; all diese Kriterien liegen auf Weltklasseniveau. Dennoch überzeugt mich der HIFIMAN Magnetostat in den mittleren Lagen dann doch das entscheidende Quäntchen mehr.

Dabei macht der UTOPIA selbstverständlich keine substanziellen Fehler. Er wirkt im direkten Vergleich halt nur eine Spur steriler und weniger involvierend. Der HE1000 V2 intoniert Stimmen und Instrumente einfach noch feinfühliger und verleiht ihnen insbesondere den gewissen Schmelz, den man nur schwerlich in Worte fassen kann.

Ein Beispiel. Während der UTOPIA ein Saxophon-Solo ohne Frage absolut exakt und authentisch reproduziert, kann man bei der Wiedergabe über den HE1000 V2 fast schon die Emotionen des Musikers bei der Betätigung der entsprechenden Tasten spüren. Wohlgemerkt auch dank des kongenialen italienischen Tonmeisters.

Denn wie bereits bei den vorherigen Tests angemerkt, skaliert der UTOPIA nicht mehr wesentlich am klanglich deutlich besseren PATHOS INPOL EAR im Vergleich zum QUESTYLE CMA800R oder auch zum BURSON CONDUCTOR VIRTUOSO V2.

Und dies scheint wohl auch die Schlüsselrolle für die leichte Überlegenheit des HIFIMAN im Hochtonbereich zu spielen. Denn was der HE1000 V2 in diesem Frequenzbereich am INPOL EAR an Transparenz und Auflösungsvermögen zu bieten hat, liegt für mich unzweifelhaft auf höchstem Elektrostatenniveau. Ein STAX SR009 hat mich, zugegebenermaßen an der hauseigenen Elektronik (SRM007 T2) jedenfalls weitaus weniger beeindruckt. Und bevor jetzt wieder die Versorgungsspannungs-Problematik bemüht wird – ihr wisst doch, ich bin eher ein Leisehörer.

Der UTOPIA gibt auch die hohen Töne in Kombination mit dem INPOL EAR selbstverständlich keinen Deut schlechter als in den Runden zuvor wieder. Ganz im Gegenteil. Auch der FOCAL Kopfhörer profitiert von den einzigartigen klanglichen Fertigkeiten der italienischen Wunderwaffe. Aber eben nur in einem geringeren Maße. Somit liegt der HIFIMAN zwischenzeitlich schon deutlich vorne.

Durch die sinnvolle Kombination von Röhren- und Transistortechnik erzielt der PATHOS INPOL EAR bei den angedockten Kopfhörern außerdem absolut beeindruckende dynamische Fähigkeiten gerade eben auch in den mittleren Frequenzlagen, welche in beiden Fällen zudem mit einer superben Feindynamik einhergehen. Ich kann mich nur wiederholen. Einfach wunderbar.

Und der PATHOS öffnet die Räume. Die Bühnenabbildung des UTOPIA gerät dadurch weitläufiger und auch transparenter, bewegt sich aber noch in relativ fest definierten Grenzen. Auch die Tiefenstaffelung verbessert sich gleichermaßen, Nachhallfahnen klingen dazu etwas länger aus, was diesen Eindruck noch einmal verstärkt. Alle musikalischen Ereignisse werden des Weiteren wie festgenagelt an ihrem jeweiligen Ort fixiert. Auch eine ambitionierte Änderung der Abhörlautstärke ändert daran rein gar nichts. Eine faszinierende Vorstellung des UTOPIA.

Dies trifft natürlich im selben Maße auch auf den HE1000 V2 zu. Und weil der HIFIMAN quasi „von Geburt an“ mit einer vortrefflichen Räumlichkeit aufwartet, kann man sich jetzt unschwer vorstellen, wie die ganze Sache ausgehen wird.

Denn was der HE1000 V2 nun aufnahmeabhängig auf die „Bühne“ zaubert, ist schon referenzverdächtig. Eine alles überragende Luftigkeit, gepaart mit einer eindeutigen Ortbarkeit aller musikalischen Ereignisse, verbunden mit einem gespenstig echt wirkenden virtuellen Raumeindruck in Breite und Tiefe. Ich habe, kein Witz, mehrere Male den Kopfhörer abgesetzt, weil ich vermeintlich Geräusche aus dem realen Hörraum wahrzunehmen glaubte.

Weil beide Kopfhörer auch tonal auf Augenhöhe liegen, kommt der FOCAL UTOPIA an der kongenialen Verbindung aus HIFIMAN HE1000 V2 und PATHOS INPOL EAR nicht mehr vorbei. Diese wahrhaftige Traumkombination gehört für mich somit eindeutig derzeit zu einer der besten Paarungen der Welt.

Mein Fazit

Vielleicht fällt dieses Testresultat für manch Einen etwas enttäuschend aus. Der UTOPIA ist also nicht der beste Kopfhörer der Welt. Nein, das ist er nicht. Zumindest nicht für mich. Und dies hat keinesfalls etwas damit zu tun, dass ich den HE1000 V2 bereits besitze. Denn in der Regel erwerbe ich diejenigen Kopfhörer, welche meine Sammlung klanglich oder auch bautechnisch komplettieren können, im Anschluss an meine Rezensionen oft selbst. Sofern meine Frau mich lässt. Also meistens dann doch.

Im Übrigen sollte dieses Resultat etwas differenzierter betrachtet werden. Denn der HIFIMAN fährt im direkten Vergleich zwar einen anscheinend klaren Punktsieg ein. Aber eben nur mit tatkräftiger Unterstützung des PATHOS INPOL EAR. An einem SOLID-STATE-KHV, beispielsweise auch am BURSON CONDUCTOR VIRTUOSO V2, schrumpft der Vorsprung des HE1000 V2 beträchtlich zusammen, wie ich in einem entsprechenden Quervergleich feststellen kann, bereits am QUESTYLE CMA800R liegt meines Erachtens eine Patt-Situation vor.

Der Bassbereich reicht beim HIFIMAN beispielsweise am QUESTYLE zwar nach wie vor tiefer hinab, der FOCAL kontert aber jetzt mit der jederzeit dynamischeren Attacke. Im Mitteltonbereich geht dem HE1000 V2 der zarte Schmelz etwas verlustig und er klingt „nur noch“ ebenso realistisch wie sein direkter Kontrahent. Die Höhen werden vom großen HIFIMAN selbstverständlich unverändert hervorragend aufgelöst und gleichermaßen nuanciert reproduziert, die Wiedergabe wirkt aber weitaus sachlicher. Die Magie ist fort.

Wie gesagt, all diese musikalischen Feinheiten sind subtiler Natur und setzen unter anderem auch eine gewisse Hörerfahrung voraus. Und jeder muss natürlich auch für sich selbst entscheiden, wie viel einem die ganze Sache wert ist. Denn nicht jeder Gralsritter ist verständlicherweise Willens und bereit, für sein Hobby in 5-stellige Beträge zu investieren.

Unter diesem Gesichtspunkt könnte der FOCAL UTOPIA dann eben doch zum persönlich besten Kopfhörer avancieren. Trotz seines ambitionierten Verkaufspreises von knapp 4.000,- Euro. Denn wie eingangs erwähnt spielt er schon an leistungsschwächeren DAP großartig auf. Kombiniert man ihn beispielsweise mit dem neuen KANN der koreanischen Manufaktur ASTELL & KERN (1.100,- €) erhält man zweifellos ein mobiles Dreamteam, welches ganz sicher zur absoluten Weltspitze aufschließt. Und somit eigentlich keine Fragen mehr aufwirft. Punkt.

Euer Fidelio

Meine Wertung

Klangqualität (60%) : 4 von 5 Ohren
Tragekomfort (20%) : 4 von 5 Ohren
Verarbeitung (20%) : 5 von 5 Ohren

(*) Die Testberichte auf Musicalhead geben ausschließlich meine persönliche Meinung zum Produkt wieder. Es handelt sich hierbei um redaktionelle Beiträge, welche aber durchaus eine werbende Wirkung beim Leser erzielen könnten, ohne dass ich von einem Unternehmen damit beauftragt wurde.


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