Ich möchte euch heute über einen Kopfhörer berichten, welchen ich aufgrund meiner ganz eigenen klanglichen Philosophien eigentlich niemals auf meinem persönlichen Schirm hatte. Denn wie vielleicht einige von euch in einer meiner früheren Rezensionen vom SENNHEISER HD 630VB gelesen haben, halte ich nicht besonders viel von geschlossenen Kopfhörern.
Den wenigen Vorteilen wie beispielsweise der mehr oder weniger guten Abschottung von Geräuschen in beide Richtungen, oder der oft prägnanten Tiefbasswiedergabe stehen auf der anderen Seite für mich zu viele handfeste Nachteile gegenüber.
Zum ersten wäre da die Sache mit der Leichtigkeit. Ich liebe es, wenn, gerade bei der Wiedergabe einzelner Stimmen oder Instrumente, diese separiert und frei im Raum stehend vom Wiedergabemedium reproduziert werden. Mit genügend Luft zwischen den Akteuren, natürlich verbunden im richtigen räumlichen Kontext. Eine großzügige Bühnendarstellung ist für mich dabei ebenso wichtig wie eine verhältnismäßig zufriedenstellende Tiefe in der Abbildung.
Zufriedenstellend deshalb, weil gerade die Tiefenstaffelung meiner Meinung nach den größten Schwachpunkt bei der Musikwiedergabe über einen Kopfhörer darstellt! Dies erhält eine besondere Gewichtung, wenn man ursprünglich aus der Lautsprecherecke kommt. Doch dazu später mehr.
Eine transparente Wiedergabe ist also eine der Grundvoraussetzungen, ohne die bei mir der „Haben will“ Reflex nicht ausgelöst wird. Da die meisten Geschlossenen eine eher topfige Haltung diesbezüglich einnehmen, stehen sie in der Regel auch nicht auf meiner Einkaufsliste. Zu den Verfärbungen gesellt sich leider oft noch ein leicht klaustrophobischer Raumeindruck, welcher meist nicht über die Ohrmuscheln hinausgeht.
Weiterhin sollte für mich der Bassbereich zu keiner Zeit den Grundton ungebührlich aufdicken. Damit wir uns jetzt nicht falsch verstehen – ich präferiere durchaus einen druckvollen und weit hinab reichenden Bass. Aber präzise muss er dabei schon sein. Hierbei schwächeln so einige geschlossene Kandidaten, auch bedingt durch die konstruktiv schwieriger zu kontrollierenden Gehäuseresonanzen.
Der Bassbereich der offenen Vertreter wirkt so meist entschlackter und subjektiv auch schneller. Dadurch ergibt sich zusätzlich ein bruchloserer Übergang in die höheren Gefilde des Frequenzspektrums.
Der letzte negative Punkt, den ich hier noch anführen möchte, betrifft den zumeist kritischen Hochtonbereich. Um die zuvor beschriebenen Schwachpunkte wie die eingeschränkte Transparenz und die dichtere Räumlichkeit zu kompensieren, werden die Höhen bei der Abstimmung der geschlossenen KH leicht angehoben, um fehlende Luftigkeit zu suggerieren. Außerdem entsteht so auch der Eindruck einer besseren Durchhörbarkeit.
In Verbindung mit dem präsenten Bassbereich zeigt sich in Folge die vielfach beschworene und oftmals verkannte „Badewannen“ Charakteristik. Wie jetzt! Verkannt? Dazu vielleicht ein kleiner Exkurs: Nun, weil genau diese Abstimmung eigentlich ein grundsätzliches Unvermögen unseres Gehörs ausgleicht. Bis hin zu einer gewissen Lautstärke empfinden wir den für z.B. die Sprache so wichtigen Mitteltonbereich als dominanter, als die dazugehörigen Bässe und Höhen. Gut, eingefleischte Profis wissen das natürlich schon. Aber vielleicht ist es ja ganz interessant für Kopfhörer-Novizen, welche gerade diesen Artikel lesen.
Auch die Meister der „klanglichen Modulation“, wie beispielsweise John Grado, machen sich diese psychoakustischen Gesetzmäßigkeiten für die Abstimmung ihrer Kopfhörer markenspezifisch zu Nutze. Betrachtet man die Frequenzgangverläufe der verschiedensten KH-Modelle, wird man feststellen, dass diese niemals linear verlaufen. Und hier genau trennt sich die Spreu vom Weizen. Ein GRADO Kopfhörer klingt beispielsweise bei niedrigeren Abhörlautstärken ausgewogen und neutral, so dass man geneigt ist, in diesem Bereich meist eine längere Zeit zu verweilen. Zumal auch kleinste Details der Musikwiedergabe hervorragend herausgearbeitet werden. Erhöht man aber die Lautstärke über einen bestimmten Schwellenwert hinaus, kippt das Klangbild sukzessive und der Hörer erscheint nun zu hell mit einer leichten Tendenz zur Schärfe.
Kopfhörer der Marke AUDEZE motivieren mich dagegen wiederum, immer noch ein wenig mehr Pegel zu fahren, gerade weil die Detailarbeit rein subjektiv mit dem Volumen zunimmt. Auch durch den vergleichsweise linear abgestimmten Bassbereich bin ich stets geneigt, den Regler im Uhrzeigersinn zu drehen. Warum nun diese doch sehr ausführliche Einleitung? Schließlich soll dies doch eine Rezension zum ULTRASONE EDITION 5 werden, oder?
Ganz einfach. Weil der Kopfhörer, welcher sowohl leise als auch laut perfekt spielt, noch nicht geboren wurde. Dies mag auch der Grund sein, warum wir uns alle nicht nur auf ein Modell festlegen möchten oder können, sondern für die unterschiedlichsten musikalischen Situationen, insbesondere bezüglich der gewählten Abhörlautstärke, unsere ganz speziellen Lieblinge favorisieren.
Vorbereitung
Wie sicherlich viele von euch, habe ich ein eher zwiespältiges Verhältnis zu den Kopfhörern der Firma ULTRASONE. Während ich die IEM der bayrischen Manufaktur wie IQ und TIO ob ihrer natürlichen Wiedergabeeigenschaften sehr schätze, verzweifelte ich in der Vergangenheit stets an der zuvor beschriebenen, ausgeprägten Badewanne der Over Ear Varianten. Zumal ULTRASONE diese scheinbar hausgewünschte Charakteristik mit jedem neuen Exemplar erneut auf die Spitze trieb. Also nichts für Papas Sohn.
Bis ich zum ersten Mal an einem grauen Novembertag 2014 den ULTRASONE EDITION 5 Limited bei einem befreundeten Händler hören durfte. Genauer gesagt bekam ich den Hörer aus der Kiste direkt auf die Ohren. Obwohl der Kopfhörer noch nicht eingespielt war, fiel der erste Eindruck für mich schon sehr überraschend aus. Dieser KH ist doch tatsächlich in der Lage, eine gewisse Tiefe im Raum aufzubauen.
Mein Interesse war fernab jeglicher klanglichen Abstimmung sofort geweckt. Denn allein mit diesen Möglichkeiten der Raumabbildung besitzt der EDITION 5 ein absolutes Alleinstellungsmerkmal im Bereich der Klangwiedergabe über Kopfhörer. Allerdings war der aufgerufene Preis in Höhe von 3.500 Euronen leider ein Ausschlusskriterium für mein damalig eingeplantes Budget. So ging wieder viel Zeit ins Land und erst ein Jahr später erhalte ich nun erneut die Gelegenheit, den inzwischen über 100 Stunden eingespielten EDITION 5 zuhause an mir bekannten Komponenten zu hören. Wiederum mit meiner bekannten Musikauswahl aus Klassik, Jazz und Pop.
Klangtest
„Leider“ verfestigte sich nicht nur meine erste Einschätzung bezüglich der grandiosen räumlichen Fähigkeiten, der Kopfhörer besitzt zudem eine völlig andere Klangsignatur wie alle übrigen „Edition-Modelle“ aus gleichem Hause.
Der ULTRASONE EDITION 5 spielt bei meinen üblichen Abhörlautstärken sehr authentisch und neutral auf. Der ausgewogene und gut strukturierte Bassbereich überlagert den Grundton zu keiner Zeit, von topfigem Klang also keine Spur. Wenn mehr Pegel gefordert wird, neigt aber auch dieser Hörer, ähnlich wie die Modelle von GRADO, zu leicht überzogenen Höhen und etwas stärker betonten Oberbass. Dieser Kopfhörer ist klar eher für den Leisehörer konzipiert.
Er offeriert dem stillen Klanggourmet, eine langjährige Hörerfahrung ist dabei stets von Vorteil, ein musikalisches Erlebnis der absoluten Extraklasse. In Form einer perfekt gestaffelten Bühne. Mit fantastischer Ausleuchtung der tatsächlichen Raumgröße. Und zwar sowohl in der Breite als auch in der Tiefe. Stimmen und Instrumente werden in genau dem richtigen Verhältnis zueinander dargestellt und scharf umrissen im Raum positioniert. Wenn man die Augen schließt, ähnelt der Eindruck nahezu der Wiedergabe über gute Studiomonitore, z.B. einer Rogers LS3/5a, welche ich aus meiner highfidelen Vergangenheit bestens kenne und somit den früheren Klangeindruck über die Zeit konservieren konnte.
Ein Quervergleich zu meinem PS1000e bestätigt schließlich meine Vermutung. Auch der GRADO baut eine äußerst realistische Bühne auf, zudem verbunden mit den schöneren Klangfarben. Stimmen und Instrumente besitzen mehr Schmelz, der ULTRASONE wirkt hier nüchterner in der Reproduktion. Vielleicht aber sogar etwas richtiger.
Bezüglich der Detaildarstellung schenken sich die Kontrahenten nichts. Beide beeindrucken mit einem absolut hervorragenden Auflösungsvermögen, besser auch als mein zum zusätzlichen Vergleich herangezogener SENNHEISER HD800 mit CARDAS-Verkabelung. Aber genau wie der Letztgenannte schafft es auch der große GRADO nicht, die Raumgröße in ihrem Grenzbereich exakt zu definieren. Raum ist zwar immer vorhanden, aber eben nicht klar umrissen. Gesangsstimmen werden im Vergleich zu einer Wiedergabe über Lautsprecher außerdem zu nah oder im Falle des HD800 auch zu groß dargestellt.
Dieses Positionierungs-Kunststück gelingt in diesem Trio allein dem EDITION 5. Durch die realistische Raumdefinition erhalten Stimmen und Instrumente genau die typischen und charakteristischen Hallinformationen, welche die Wiedergabe nochmals glaubhafter und einfach echter wirken lässt. Der Kopfhörer spielt zudem völlig untypisch für eine geschlossene Variante weit über die Begrenzungen seiner Treiberbehausungen hinaus. Und dies ohne störende Nebengeräusche, was eine vollkommene Konzentration auf die musikalische Darbietung ermöglicht.
Mein Fazit
Dieser wahrhaftige Kopflautsprecher besitzt eine hervorragend austarierte, absolut authentische Wiedergabe und großes musikalisches Feingespür, gute Aufnahmen vorausgesetzt. Er verdient aber eine passende vorgeschaltete Kette, vorzugsweise mit einer Verstärkung mittels Röhren. Optimale Ergebnisse erzielte ich mit meinem FOSGATE SIGNATURE, welcher auch bei höheren Pegeln den Hochtonbereich wirksam im Zaum hält.
Glücklicherweise ist der niederohmige EDITION 5 nicht besonders anspruchsvoll bezüglich der zur Verfügung gestellten Leistungsreserven. Trotzdem ist ein hoher Dämpfungsfaktor der verstärkenden Elektronik nicht von Nachteil. Der ULTRASONE dankt dies mit einem sehr kontrollierten Bassbereich, welcher auch tiefste Töne nicht scheut. Er besitzt dazu einen hervorragenden Tragekomfort, was sicherlich auch an dem geringen Gewicht von lediglich 280 g liegt. Die Verarbeitung ist übrigens Ultrasone-typisch hervorragend.
Inwieweit die klanglichen Ergebnisse auch auf die unlimitierte Version übertragbar sind, vermag ich an dieser Stelle nicht eindeutig zu beurteilen. Der von mir auf der diesjährigen CANJAM gehörte Kopfhörer mit den entsprechenden Ohrmuscheln aus Leichtmetall besaß allerdings einen leicht analytischen, etwas heller timbrierten Charakter im Vergleich zu meiner heute getesteten Version. Vielleicht liegt das an den hölzernen Klangschalen der Limited-Variante. Dies kann aber natürlich auch der Tatsache geschuldet sein, dass Letzterer, wie bereits erwähnt, bereits längere Zeit eingespielt war.
Der ULTRASONE EDITION 5 ist meiner Meinung nach nicht nur der derzeit beste dynamische geschlossene Kopfhörer, er zählt auch gerade wegen seiner außergewöhnlichen räumlichen Qualitäten zu den besten Kopflautsprechern überhaupt. Ein Meisterwerk für den stillen Genießer.
Euer Fidelio